Fetthenne
Botanisch: Sedum oder Hylotelephium
Besonderheit: Insektenmagnet
Die weißblühende Hohe Fetthenne heißt „Stardust“ (Sedum spectabile), die rotblühende Hohe Fetthenne heißt „Herbstfreude“.
Sie ist noch gar nicht zu ihrer Bestform aufgelaufen, da kribbeln die Wildbienen schon in ihren Blütenansätzen. Die Fetthenne zieht die Insekten magnetisch an. Ihre Vorliebe eint sie: Insekten und Pflanzen mögen die Sonne.
Warum dieser kuriose Name vergeben wurde, ist noch eine Doktorarbeit wert. Vielleicht wegen der „fetten“ Blätter, die Wasser speichern. So paradox wie wir denken, dass das Kamel Wasser im Höcker speichert, könnten wir ja auch denken, dass die Fetthenne in ihren Blättern Fett speichert, was das Kamel wiederum im Höcker tatsächlich speichert. Oder, weil die Hennen im Freiland besonders wohlgenährt wurden, wenn sie bei der Pflanze zwischen den fleischigen Stielen immer mal wieder eine zusammengekringelte Raupe fanden oder eine häuschenlose noch ungefährliche Schnecke. Eine wackelfeste Wissensbasis hat dies alles nicht. Wen der triviale Name für dieses Wandelgewächs stört, benennt es einfach fachmännisch.
Der Fachmann sagt zur Fetthenne „Sedum“. Die verschiedenen Sedum-Arten - rund 400 sind es - trifft man auch unter dem Namen Mauerpfeffer. Die Bezeichnung „Hohe Fetthenne“ grenzt für mich allerdings die hohe Staudenart. Es gibt ja auch noch die Bodendecker oder Steingartenpflanzen, die als Mauerpfeffer zu finden sind.
Die Hohe Fetthenne ist die fleischige unter den Blätterstauden. Wenn ich die Dickblätter aneinander reibe, quietschen sie, als wenn Spargel aneinander gerieben würde. Wegen der sukkulenten Blätter gehören die Fetthennen zu den Kakteen. Sie ist die liebenswürdigste Kakteenart, sie hat keine Stacheln. In ihren Dickblättern speichert sie die Feuchtigkeit. So sehen die Pflanzen selbst bei extremer Trockenheit noch frisch aus. Versonnen schaue ich sie an und überlege, wie ich mir ein Patent zur Aufpolsterung der eigenen Haut sichern kann. Nun ja, aber dann im Spätherbst, ist auch bei ihr die pralle Schönheit dahin. Siehste Sedum, wir alle kommen in die Trockenperiode.
Dankbar nehmen die Pflanzen aber auch regelmäßige Wassergaben an, auch Langzeitdünger aus Rinderpellets hab ich ihnen schon zum Frühjahrsstart verabreicht. Lob und Pflege scheint die Pflanze zu animieren. Aus den ehemals runden Pflänzchen sind ausufernd hohe Meterdurchmesserbüsche geworden. In voller Blütenpracht sind die Dolden der rotblühenden Hohen Fetthenne so schwer, dass die Pflanzen auseinanderfallen. Ich verpasste ihnen ein Drahtkorsett als Stütze, um das Auseinanderfallen zu verhindern. Ihre stattliche Höhe von 40 cm wird so noch unterstrichen.
Einmal musste ich die Pflanze schon teilen und setzte den halbierten Teil in einen Kübel. Selbst im Topf machte die Fetthenne eine gute Figur. Im Winter hatte ich den Topf mit Jute umhüllt.
Im Grunde genommen gibt es keine Jahreszeit, in der diese Mehrjährigen nicht punkten. Im Frühling schieben sich vielfache Röschen aus der Erde, die sich wie ein graugrüner Strauß zu formen scheinen. Im Sommer sind es die weiß-rosa Dolden, die sich noch geheimnisvoll verschließen. „Tellerförmig“ heißt dies fachmännisch. In so einem Teller sitzen bestimmt 100 winzige Sternenblüten. Die Weißblühende nennt sich sogar „Stardust“, Sternenstaub.
Schon Anfang August wissen die saugenden Insekten, dass die vielfachen Knospen nur auf Besuch warten. Und den erhalten sie. Es ist eine Win-Win-Situation: Geb-ich-dir-nehm-ich-mir. Begehrlichkeiten der langen und kurzen Rüssel werden gestillt. Aufbrechende Knospen mit gefüllten „Tellern“ laden nahezu jede fliegende Insektenart zur Nahrungsaufnahme ein.
Die flotten Flieger geleiten die Pflanzen mit der abnehmenden Sonne in den Herbst. Gerade der Herbst ist IHRE Jahreszeit. Dann hat die rotblühende Fetthenne „Bäumchen wechsle dich“ gespielt und die unschuldig hellen Blüten ins geheimnisvoll dunkle Rostrot getauscht. Diese Blütenfarbe ist der perfekte Kontrastschmuck zum graugrünen Stiel mit den fast runden Blättern. Nun finden wir bestätigt, dass ihr Name der kontrastreichen Jahreszeit entspricht „Herbstfreude“.
Eine Art fehlt mir noch. „Karfunkelstein“ heißt die Sorte mit den dunkelroten Stielen und Blättern. Wenn ich dann mal wieder Platz geschaffen habe, wird es einen neuen Gartenbewohner geben.
Selbst als Winterdolde sind die Pflanzen nützlich. Ich lasse die abgeblühten Stiele bis zum Frühjahr stehen. Darin finden die Insekten Unterschlupf. Wenn dann der Kreislauf neu beginnt, und im Frühjahr die kleinen graugrünen Rosetten emporschieben, schneide ich die alten Triebe ab. Und das Erstaunen über die Wandlungsfähigkeit einer Pflanze mit kuriosem Namen beginnt von neuem.