Gladiolen
Botansich: Gladiolus
Besonderheit: Insektenweide, mehrjährige Zwiebelpflanze
Wir haben es Anfang Juli. Wie sie sich strecken die Recken. Die Wehrhaften erscheinen. Im April, nach dem Frost, habe ich sie in eine geeignete Bodenmulde gelegt. Rund 10 cm tief wollen sie liegen. Natürlich nicht am Vorjahresstandort. Sie machen es den Rosen nach und wollen erst nach 6 Jahren wieder am bereits besuchten Standort stehen.
Ihre Laubblätter stellen sie schützend und scharfkantig als Schwertblätter auf den Boden. Je nach Wuchsstadium breiten sie dann sachte ihren Fächer auseinander und verbleiben in der Form der Lanzetten. Sie sind halt Schwertliliengewächse. Sie tragen das Schwert im Namen: „gladius“.
Eine Woche später beäuge ich das Voranschreiten des Blühstadiums bei den frühen Sorten. Sie zeigen mir ihre Flechtarbeit unmittelbar vor dem Ausschub der Blüten. Bei dem noch geschlossenen Blütenschopf denke ich an Handarbeit. Wie mit drei verschiedenen Strängen geflochten, erscheinen die noch flachen grünen Blütenstände. Was diese kunstvollen Gebilde verstecken, zeigen sie ab Mitte Juli.
Nicht lange und die Blüten halten es in ihren Ummantelungen nicht mehr aus. Die ersten lugen wie aufgerolltes Seidenpapier unter der schützenden Spitzkappe heraus. Schon am nächsten Tag sind die ersten zarten Seidenröllchen am Öffnen. Nun streben sie die Karriereleiter einmal aufwärts, denn sie arbeiten sich von unten empor. „Ährig“ heißt dieser Blütenstand. Kann ich sie auch Trompetenleiter nennen? Ist die Blüte vollständig geöffnet, scheint sie mit weiter Öffnung heraustrompeten zu wollen, dass die Schönheit nun einen Namen hat.
Es waren die Lieblingsblumen meines Schwiegervaters. Logisch, er war ein August-Geburtstagskind. Jemand sagte mir, sie sind dankbare Blumen: Sie halten lange durch. Ist die unterste Blüte erschlafft, zupft man sie ab und der Stängel sieht wieder propper aus. So zupft man sich bis zur Spitze durch.
Ich finde sie ziemlich selbstbewusst. Stramm wie Piefke erobern sie den Garten, recken sich strauchhoch oder platzieren sich modellmäßig zwischen den Großwüchsigen. Teils lümmeln sie sich auch mal quer, wenn die faule Gärtnerin den Stützstab vergaß. Oder, wenn die Gladiolenzwiebeln nicht tief genug gelegt wurden. Jeder braucht eine stabile Basis, um standhaft durch die Reifung zu gehen.
Schön sind sie. Diese bezaubernden Gebilde haben drei Außenblütenblätter und drei innere. Sauber symmetrisch versetzt sind sie angeordnet. Zum Reinkriechen schön finden das die Hummeln. Abgrundtief krabbeln sie bis in den hintersten Schlund, um an den Pollen zu kommen. Die Nektarien strecken drei feinste Fingerchen ihrem Bestäuber entgegen. Darüber schwebt ein hauchzartes aufgebogenes Duo von Staubgefäßen. Langsam verstehe ich, warum die Insekten in Blüten krabbeln. Bizarre Kreationen gilt es zu erkunden.
Mir zeigen die Gladiolen, dass jegliche Farbkombination erlaubt ist. Wer würde lila und grün im Kleid und auf der Hose tragen? Die Natur tut es! Und zur Erhöhung des Augenschmauses durchscheint die Sonne das fragile Gebilde der Blütenblätter. Licht und Schattenreflexe lassen mich vergessen, dass dies „nur“ eine Blume ist. Könnte vielleicht ein Außerirdischer in meinem Garten gelandet sein?
Gelb-orange akzeptiere ich nur zu gern als gewagten Vorstoß in die belebende Sphäre. Orange regt an, gelb lacht ins Gemüt.
Die Große reckt sich als mein weißer Riese. Ihre nach außen gebogenen Zungenblätter im unteren Kelchbereich lassen die Griffel sehen, die wie lange Wimpern nach oben gebogen sind. Überdeckt werden sie von den oberen Blütenblättern wie eine kleine Kappe. Die Hummeln danken diese Konstruktion, sind sie doch beim Pollensammeln geschützt.
Gladiolen halten bei günstig-warmem Wetter bis in den Oktober durch; bei den neumodernen Temperaturverhältnissen sowieso. Im Frühjahr, spätestens Anfang Mai, habe ich sie zeitlich gestaffelt gesetzt, so dass die frühen Winterschläfer sich zurückziehen, wenn die später Erblühten den Dahlien den Hinweis geben, dass es Zeit ist, die Knollen rauszuholen. Die verblühten Stiele knicke ich ab, um keine Samenstände bilden zu lassen.
Verloren waren mir die Sterngladiolen, auch Abessinische Gladiolen (Acidanthera) genannt. Da sie in der Dämmerung einen Lilienduft ausströmen, musste ich sie mir vom Fachhändler wieder beschaffen. Die Nachtfalter brauchten sie. Nun reckt sich mir wieder die erste Außergewöhnliche entgegen. Sie blüht weiß am schlanken Stiel. Um den Kelchgrund legt sich ein magischer Stern. Er ist dunkellila und bildet somit einen phantastischen Kontrast zum Cremeweiß der Kelchblätter.
Wiederbelebt habe ich die Pflanzung im Herbst mit den byzantischen Gladiolen (Gladiolus byzantinus), die zum Verwildern geeignet sind und im Juni bis Juli blühen. Beschrieben werden sie als karmesinrote Blüten, jedoch fand ich eine in meiner Fotosammlung, die orange-gelb blühte.
Ich habe lange rumgewerkelt, um beim Einmotten zur Winterpause eine haltbare Farbmarkierung für die einzelnen Pflanzen zu erhalten. Sinnig wäre natürlich, jeder Farbe einen Karton oder eine Kiste zu geben. Platzsparend muss ich sie aber erst erdtrocken bekommen, um sie dann zwischen Zeitungspapierlagen in Plasteklappkisten einzulagern. Farbige Klammern an den Gladiolenstrünken halfen mir im Frühjahr die passende Farbe an den geeigneten Platz zu setzen. Neuerdings umwickele ich die Stielenden mit Draht, der durch einen Korken gezogen ist. Der Kork – Überraschung! – ist wunderbar lange mit der Markerfarbe haltbar. Keine Plasteschildchen hält die Farbe so lange. Papier sowieso nicht.
Aber vor der Einlagerung sind erst einmal ein paar Genusswochen mit den markanten Schönheiten angesagt.