Raublattaster - Gartensinn

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Raublattaster und Glattblattaster
Botanisch: Aster novae-angliae und Aster novi-belgii
Besonderheit: späte Insektenweide

Der Herbst ist voller Blüten. Wirklich! Alles ist in Bewegung, der Wind und Wetter sorgen dafür. Im Garten wachsen Herbstastern in Weiß und Zartlila. Sie sind die langstieligen. Sie verneigen sich regenschwer vor dem Wind, damit er ihnen die tropfnasse Last abschüttelt. Eine kleine lilablütige Kissenaster gibt es auch. Sie ist nur halbmeterhoch und hat sich schüchtern unter die Strauchrose gekuschelt.

Manchmal weiß man gar nicht, welche Schätze man hat. Sie umgeben uns so selbstverständlich. So ist es auch mit der Herbstaster. Bis vor kurzem wusste ich weder, dass die Herbstaster in Rau- und Glatt- unterschieden wird. Was da so bogenförmig in der Gegend wuchs war eben eine späte Blüte. Basta! Und nun bewundere ich schon die Bogenförmige.

Ich schaue sie mir genauer an und sehe: Wie ein selbstgesteckter Blumenstrauß setzt sich die Staude in Szene. Sie hat Blätter, jadoch! Da genau aber scheiden sich die Herbstasterngeister: Tragen die Blätter eine leicht angeraute Schicht mit winzigen Härchen, haben sie raue Blätter. Sie sind also Raublattastern. Ich fahre mit den Fingerspitzen über die Blätter. Wahrscheinlich sind meine Gartenhände rauer als deren Blattstruktur. Ich erfühle kaum Rauheit. Die Lupe muss ran! Ich stelle fest: Kein raues Blatt. Aha! Im Umkehrschluss heißt das, wenn es „rau“ gibt, dann gibt es auch „glatt“.

Dann schaue ich mal, was die Glattblattaster mir bietet. Die Glattblattaster meines Gartens ist so genügsam, dass ich ihr ihre Eigenwilligkeit gestattete. Sogar belustigend finde ich ihre Sportlichkeit bei regennassem Wetter. Sie biegt sich fast bis zum Gras herab. Die Pflanze betupft den Herbst zartlila sogar im Regen und mutiert zur Schleierdekoration. Sie biegt sich über alles, was in den Sommerbeeten ordnungsgemäß gewachsen ist.
Die Bienen, ja, die vor allem, aber auch die anderen Insekten lieben sie. Wer soll die hungrigen Rüssel füttern, wenn es keine Herbstastern mehr gibt? Noch Mitte November sah ich eine Wildbiene hungrig um die gelbe Mitte der schon langsam vergehenden letzten Blüten saugen.

Aus den Achseln der Verzweigungsansätze schieben sich die Rispen mit den Korbblüten und setzen ihre Blütenkörbe auf. Die sind zartviolett. In ihrem Zentrum präsentieren sie ihre begehrte kräftig gelbe Nektarquelle. Sie wölben sich über den Doppelstrahlenkranz der Blütenblätter. Die strahlend gelbe Mitte leuchtet so weit, dass die späten Bienen ihren Weg zur Nahrungsquelle finden. Und schließlich bewundere ich sie.

Ärgerlich kann mich die Glattblattaster aber auch machen. Nachdem sie die meterlangen Peitschentriebe gebildet hat, lösen sich diese dann regelmäßig aus dem Zwang ihres Stützkorsetts und frönen ihrer ungebändigten Natur. Sie nervt auch, wenn sie ihre Ausläufer produziert. Mit selbstverständlichem Selbstbestimmungsrecht sucht sie sich ihre Partner in meinem Garten. Sie weicht danach nicht mehr von deren Seite, will nicht von den Gräsern lassen, nicht von der hohen Strauchrose. Im Sommer murkelt sie da unten so rum. Und am Sommerende schiebt sie sich mit Blattrosetten, an denen spitze dunkle Blätter spreizen, triebbildend durch die Rosen hindurch. Selbst die knollentragende einjährige Dahlie muss sich ihre Umgarnung gefallen lassen. Sie entzieht sich mir widerspenstig, wenn ich den langen Trieb in die entgegengesetzte Richtung wenden will.

Auch ihre Empfindlichkeit gegenüber Mehltau nervt, der die Blätter vom Tiefdunkelgrün ins milchig Gefleckte taucht. Mehltau haben oder nicht haben ist einer der Unterschiede zwischen Glatt- oder Raublattastern. Die Raublattaster punktet ohne Belag eines Mehltaus. Wahrscheinlich, weil sie bereits die raue Schicht trägt. Das hält das Mehl davon ab, Tau zu bilden. Vielleicht.

Aber gegen fast alles ist ein Mittel einsetzbar: Helfen soll es, die befallenen Triebe im Herbst zu schneiden und zu entsorgen und zusätzlich im Frühjahr mit Brennnessel- und Schachtelhalmbrühe zu gießen. Ich muss also noch etwas fleißiger werden.
Ich binde die Astern im Vierer- oder Fünferbund zusammen, gebe ihnen noch einen höheren, aber dünnen Bambusstab manchmal auch Metallstab als Stütze dazu und lasse sie ihr Ding bis zum Frost machen. So wächst immer mal wieder ein zwei Meter hoher mit grazilen Blütenzweigen verzierter Schwibbogen zwischen den Beeten. Die lanzettlichen glatten Blätter sind dabei Nebensache. Sie sind nur filigranes Beiwerk, denkt man.

Der Herbst ist ihre Jahreszeit. Und ja, auch sie habe ich als selbstverständlich hingenommen. So wie die Glattblattaster ist auch die Raublattaster als Herbstaster eine Echte, aus der Familie der Asteraceae, also der Astern. Das namensgebende raue Blatt nicht nur macht den Unterschied zwischen den beiden Arten. Der Unterschied zu den Glattblattastern, der den Raublattastern negativ angelastet werden könnte, ist die Schließung der Blüten im regennassen Wetter. Nun haben wir ja im Herbst öfter mal trübes Wetter und Regen. Also schlossen sich naturgemäß die alten Sorten. Dem arbeiteten die emsigen Züchter entgegen und produzierten „nicht schließende“ Blüten. Sogar nachts bleiben die neuen Sorten geöffnet.

Meine Raue scheint, - welch Glück - obwohl sie ein Erbstück ist, schon zu der stetig geöffneten zu gehören. Ich hatte sie aus einem Beet raus und in ein anderes in den Hintergrund reingesetzt. Sie hat ihre Blütenaugen vor mir nicht verschlossen. Aufrecht zeigt sie vielzählig ihre Zwei-Euro großen Blütenköpfe auf den rund 1,20 Meter hohen Stielen. Mit ihren weißen Sternenblüten erleuchtet sie den hinteren Gartenbereich durch den Oktober durch. Vielleicht ist sie sogar das gelobte Raublatt „Herbstschnee“.

Also, Summa summarum. Es gibt Vorteile und Nachteile bei beiden Arten. Nachteile bei der Glattblattaster sind Mehltau, Ausläuferbildung und weniger Standfestigkeit. Vorteil dafür sind die generell geöffnete Blüten und ihr ungezwungener Wuchs. Nachteil bei der Raublattaster sind die generell geschlossenen Blüten bei trüben Wetter, was bei einigen Arten aber rausgezüchtet wurde. Der Vorteil ist der stabilere Wuchs, die Vermeidung von Ausläufern, weil sie stattdessen Horste bildet und nicht gegen Mehltau anfällig ist. Beide Arten peppen mit rosa, weißen, lilafarbenen oder hellblauen Blüten den Herbstgarten auf. Selbst beim Abblühen zaubern sie noch goldgelbe Bilder durch die Laubfärbung.

Und da drücke ich dann dem Hinterherhinken der systematisierenden Botanik bei der Aktualisierung der Namen beide Augen zu. Dies geschieht immer dann, wenn ein Name sich eingehämmert hat, die Art aber durch neuere Erkenntnisse einer anderen Gattung zugeordnet wird. Dann ist nicht alles Aster, was Aster heißt. Dann nennen sich die Feinstrahlastern Astern, sind aber Erigerone, jedenfalls auch Korbblütler. Dann kommt die Schönaster, die nach Griechenland klingt, Kalimeris heißt und schön ist, aber keine Aster. Und dann wächst da die Kissenaster, die zwar eine echte Aster ist, aber kein Kissen bei sich trägt.

Und dann denke ich letztendlich: Ist doch Wurscht! Hauptsache, sie ist schön und bunt. Letztendlich sollen wir es den Insekten gleichtun: Freuen wir uns über jede Blüte!


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