Kurioses - Gartensinn

Direkt zum Seiteninhalt
Kurioses aus meiner Welt
Nur einen Teil von den kuriosen Gebilden der Gartenlandschaft im Laufe eines oder zwei oder auch mehrerer Jahre habe ich eingefangen. Da denke ich, ich geh dann mal in den Garten. Dort werde ich auf den Knien liegen, in der Gartenschaukel schaukeln oder über die Ausgaben des Jahres für Gartenkram nachdenken. Und schon sehe ich den Kürbis sich verrenkend. Ich gehe an den Baum und glaube es kaum: Der kringelt sich tatsächlich herum.

Und es wird immer mehr, so vieles kringelt umher. Denn eine Winde winkt der himmelhoch oben blätternden Linde. Und dann fällt mein Blick auf den Lauch, der sich kringelt wie ein Schlauch, nur viel schöner. Dann stehen die Rankgerüste so verteilt, dass sie ein Künstler für eine Open-Show drapiert haben könnte. Dieses Quentchen Eigenleben prophezeite mir kein Garten-Profi. Noch nicht mal der schmatzende Schmetterling, der vom Grasmann vertrieben wird.
Und zu guter oder schlechter letzt hockt dann eine Henne im Beet und beansprucht ihr Eigenleben. Das wird denn doch ziemlich kurios. Ich befrage das Orakel PhiPhi. Doch ich habe ein schlimmes Los getroffen: Es ist und bleibt sprachlos.

Das sind die Momente, die mich lehren, dass Materie nicht gleich materiell ist, dass Natur schon richtig stur sein kann.
Grassmann


Er erschien mir,
mitten in der Nacht,
hat keinen Krach gemacht,
nicht mal gelacht.
Er trug sein schönstes Gewand,
geschmückt nur durch ein Band.
Er trug auch locker seine Mähne,
und versteckte seine Zähne,
denn das Beißen war ihm fremd.
Enthemmt,
jedoch mit Weile
beschauten wir uns ohne Eile.
Dann ging ich ins Haus,
aus die Maus.

Die Henne

Alles fing so harmlos an. Und auch so schön.
Der Mann ging zum Baumarkt, der Mann kam zurück. Im Arm trug er ein Stück vom Glück, - eine Henne. Eine dicke, eine bunte, eine liebenswerte. So dachte ich.
Sie sollte Eingang in den Garten und Zugang ohne Warten finden. Fand sie auch. Schnell und einnehmend. Von da an war nichts mehr, wie es zuvor war.


Es ist Frühling,
sie ist beschwingt wie noch nie.
Sie sinkt in das Gras,
das dicke Vieh.
Die Henne trägt Farben
so rot und so frisch,
sie schwimmt durch das Grün
in Gedanken, wie ein Fisch.
Die Henne macht Sinn,
im Garten drin.
Gleich den Tulpen als Frühlingskind
bringt sie frischen Wind.


Gescheckt auch sind Tulpen,
das lockt Henne sehr.
Die Primel erblüht gar: „Bei meiner Ehr!“
Gleich will sie fragen,
ein Tänzchen zu wagen,
was Henne verschreckt,
und beginnt laut zu fragen:
„Warum tragen die gescheckt?“
Drauf ist die Mohnpflanze aufgeweckt
und hat die zackigen Blätter gestreckt.
Die Primel kichert:
„Hätt´ste Mohnsaft geschlürft,
hätt´ste der Frage nicht bedürft,
würd´ste selig beschwummeln,
und immer noch lummeln.“
Derweil kam der Käfer,
die Primel zu besummeln.


Die Henne schaut´ weiter
bei rosa Tulpen vorbei:
Die laden zum Haarschmuck die Henne ein.
Sie fühlt´ sich geehrt
durch überragende Zier,
und wiegt ab, zu bleiben.
Doch schon ruft es nach ihr.


Im Gras lockt der Peter,
und Orangada später.
Das edel gemusterte Blatt reicht er weiter.
Das war´s mit der Henne, -
sie verfällt dem Begleiter.
Ganz eifrig ist sie
und kommt gar ins Schwitzen.
Dann schmunzelt sie selig und bleibt einfach sitzen.


Nicht lange, dann kommt der Lange daher.
Die dicke Henne hält es nicht mehr.
Sie lehnt nonchalant an der Esche
und mimt professionell eine Fesche.
Doch der Gertenschlanke mag Henne nicht.
Das plustrige Teil dort nimmt ihm die Sicht.


Unglaublich lockt der Abendduft gar,
die Henne nimmt ihn töricht war.
Halb zieht es sie, halb sinkt sie hin.
Den Narzissen macht das gar keinen Sinn.
Zum Bienenlaben sind sie geboren,
nicht aber für pludrige Henne-Ohren.


Alles Große macht so klein.
So will die Henne nicht mehr sein.
Sie erkundet das Revier
und entscheidet: Ich bleib hier.
All die kleinen Primelblüten
locken Bienen, zum Entzücken
auch die bunte Henne an.
Jedoch, was sie nun gar nicht kann,
ist Nektar zu bieten.
Drum muss sie also Primel hüten.


Das finden die Veilchen gar so nett.
Sie laden die Henne schnell in ihr Bett,
in das grüne, mit Veilchenduft.
Später fand man die Henne,
nur noch lallend vor Sucht.
Betörend und von Sinnen
gab`s für die Henne kein Entrinnen.


In den Eimer fällt sie rein.
Die Henne erschnuppert nur noch den Wein.


Der Deckel klappt zu.
Hin wird sie sein.


Der Morgen graut,
der Henne auch.
Da kitzelt ein Zwerg an ihrem Bauch.
„Ich kann kaum noch tragen
an des Pilzen Last.
Wenn du keinen Rausch brauchst,
dann gönn dir ´ne Rast.
Gehoppel wirst du hören
vom Hasen mit den Möhren.
Flott ist der Mann,
der ritzeratze knabbern kann.


Der Henne ist die Schar zu bunt,
nicht schick wie die Blumen,
nur rund am Mund.
Die Ohren, die streckt er,
die Möhre, die reckt er,
er grinst wie ein Pferd,
und ist den Honig nicht wert.
Sie will nur noch weg,
und hin zu den Grünen,
da rufen die Blauen:
„Uns kannst du vertrauen“.


Has´ Hoppel raunt ihr ins Ohr:
„Vergißmeinnicht!“
Doch die Henne sieht sich vor,
vor Möhre, Pilz und Hasenwicht.


Vorsichtig spähend verbirgt sie ihr Gesicht.
Die samtigen Blätter verhüllen es, ganz dicht. Beglückt,
entrückt,
säuselt sie verzückt:
„Ich hab euch so gerne,
ihr himmelblauen Sterne“.


Gleich hebt sie ab.
Gleich trägt sie das Glück.
Sie landet im Baum,
sie kann nicht zurück.
Sie kann nur noch warten,
auf die Äpfel, die zarten.


Da fällt die Henne nicht weit vom Stamm,
beschaut ihre Rundung: Alles noch dran!
Blüten, die säuseln: Jetzt sind wir quitt!
„Na, logo, ihr Quitten, ihr seid ja auch fit.
Zur Zierde geboren, fast so wie ich.
Doch pieksen mit Dornen,
das dürft ihr mich nicht.“


Schon hievt die Henne ihr Gewicht
den göttlichen Blauen ins Gesicht.
Der Frühling geht ab,
die Iris winkt knapp
aus der goldgelben Mitte.
„Freundlicher war die stachlige Quitte.“
Doch Traurigkeit ist keine Zier.
Von der Iris wendet sich ab das runde Tier.


Da bimmeln die Glocken:
„Komm, hilf uns zu locken
die Bienen und Hummeln.
Die wollen immer schummeln.“
Nicht Zahlen, nicht Malen
ist Hennes Metier,
doch schlägt sie sich tapfer,
als eierloses Tier.


Erschöpft fällt die Henne in Blüten hinein.
Betört vom Honigduft schläft sie fast ein.
Behindert nur durch das Blätterpieken.
„Steck weg deine Zacken!“, hören sie quieken
die Hummeln,
die schlürfen in der Mahonie ohne langes Bummeln.
Der Hennes Gemecker hört die Mahonie finster
und schickt sie umgehend ab zum Ginster.


Die Henne fährt Pieksergesellen auf,
sie stoppen und scharren, fast noch im Lauf,
filigran gar im Bilde.
Die Henne wünscht, sie wären wilde.
Sie schnauft und läßt sich nieder:
„Oh man, was für Puschelkrieger!“


Dann tut sie, was sie bestens kann:
Sie macht sich an die Leiter ran.
Erklommen und recht heiter,
kichert sie von der Leiter.
„Hier halt ich es aus.
Mich ärgert keine Laus.
Noch nicht mal ´ne Katze
erhebt ihre Tatze.“
Nur viel Grün, das hebt.
Und Henne, die lebt.
Sie schöpft aus dem Vollen.
Schon will sie sich rollen
von oben so grün, um das Riesenblatt zu seh´n.


Im Schatten die Schönheit erklimmt sie mit Mut,
aus biblischen Blättern wird ein Designerhut.
Von duftenden Zweigen
der fruchtenden Feigen
mussten schon Adam und Eva lern´.
Die gierige Henne jedoch hat´s vergessen
und ruft:
„Euch habe ich zum Fressen gern“


Von oben erkoren
hat die Henne ein Nest.
Dafür ist sie geboren.
„Hach, was für ein Fest!“
Die Henne will brüten.
Sofort! Nicht erst in Minüten!
Sie sucht einen Schutz
und entfernt allen Schmutz.


Die Fichte bewacht sie,
sogar des Nachts macht sie,
ihr Nadeldach breit.
Die Henne, die gackert und ist ganz befreit.
Mit Geduld und Gegucke
sitzt die runde Glucke,
erwartet die Küken,
um sie zu beglücken:
Bald flitzen niedliche Kinder
im Garten ohne Rinder.


Die Rechnung hat Henne ohne die Amsel gemacht.
Die kommt schon krakeelend.
Es ist nicht mal Nacht.
„Das war das zu Hause
von Hans und von Franz!
Du hast es geklaut!
Ich fass es nicht ganz!
Hast du denn geglaubt,
das Nest würd dir nützen?
Du kannst doch nichts weiter
als stille nur sitzen!“


Und es ist Sommer,
er kam über Nacht.
Die Nachtigall hat es zutage gebracht.
Ein Mondstrahl blitzt,
die Henne flitzt
weg aus dem Nest,
geht ohne Rest,
ruft der Amsel noch zu:
„Nun gib endlich Ruh
und sei nicht so finster!“
Und haut ab zum giftigen Ginster!“
Der Regenwurm rülpst über nachtdunklem Gras.
Die Fledermaus schwebt „So´n Schwachsinn ist das!“


Der Morgen erwacht,
und aus der Nacht
findet die Henne den Weg nicht und kracht
hinein in die Wolfsmilch und öffnet den Mund.
Sie schlabbert am Saft und hebt ab vom Grund.
Die Vögel, die zwitschern:
„Das ist nicht gesund!
Oh, Henne, los, renne! Du kommst auf den Hund!“


Sie kommt hinter Gitter,
nicht ganz ohne Grund.
Sie hatte gemeint,
sie sei ein Wolfshund.


„Ich will mich vergiften,
ich will nicht mehr sein.
Die Schmach ist zu groß,
ich bin doch kein Schwein.“
Da bietet die Herbstzeitlose ihr Gift.
Doch die Henne, die zögert,
sie erleuchtet ein Licht:
Sie ersinnt einen Weg.
Und sagt: „Ich muss weg!“
Gesagt und getan, denn sie reitet den Schneck.


Die Rose lädt ein
auf der Bank zu sein.
„Ach, laß sie doch reden!
Wir gehen ins Eden!“
Sprach die Rose und bewundert die Hose
der Henne und denkt:
Im Moose hat sich der Hahn schon verrenkt.
Wie aber soll Klein-Henne das wissen?
„Ach, was werd ich wohl diesmal vermissen?“


Doch schnell hat die Henne es geschnallt.
Sie geht nicht in den Wald,
sie will nur noch feiern,
ohne lange rumzueiern.
„Da setz ich mir glatt ´ne Perücke auf.“
Kriecht auf den Stein,
doch das Schicksal nimmt seinen Lauf.


Mit Karnevalsfeder
zieht sie vom Leder.
Sie lässt es jetzt krachen
und muss immer lachen
mit Yucca-tan-Schnaps.
„Bis dass ich japp´s
werd´ den Saal ich rocken.“
Es dauert nicht lange,
sie kippt aus den Socken.


Am anderen Tag kreischt sie herum.
Die Vögel tuckern:
„Die ist ja so dumm!“
Fast kriegt sie ´nen Stich.
„Die Riesenhitze vertrag ich nich´.“
Da lädt der Gentleman Rhododendron sie ein,
beschattet unter seinem Gummiblatt zu sein. „Ich muss mich verkriechen.
Ich will doch nicht siechen.
Weint da die Henne:
„Die sind so gemein!“"


Doch was wär die Henne,
wenn sie nicht ohne Geflenne
fände einen guten Grund:
„Zucchini ist gesund.“
Erreicht sie die Kunde
von wem auch immer, wahrscheinlich vom Hunde.
Das will sie probieren,
besser als nur zu studieren.
„Wo versteckt sich das Früchtchen?
Ich kriech schnell hinein.
Irgendwo muss es doch verborgen sein.“


Zeter und Mordio schreit da ein Wicht.
„Die will Früchte klauen.
Ich muss sie gleich hauen.“
Doch fort kommt er nicht.
Er sitzt in den Ranken
und kommt fast ins Wanken.
„Hast wohl außer Holz
Nur deinen Stolz?“
Fragt kess
die Kapuzinerkress.


Die Rose hält wachsam ein Auge offen.
Sie sieht: Die Henne hat´s mächtig getroffen.
Sie ist doch kein Dieb,
sie ist doch so lieb.
Sie wollte gesunden
an Vitaminpfunden.


Sie kann´s nicht verwinden,
sie muss jetzt verschwinden.
Ein Nest könnt´ es sein,
doch das letzte war nur Schein.
Als Versteck ist dieses cool,
tief drinnen, in der Muhl´.
Doch ihr pieken am Po
harte Halme vom Stroh.
Gleichwohl denkt sich dieser einfältige Tropf:
„Besser mir piekt´s unten
als im schönen Kopf.“


„Ich kann mich doch nicht immer Verdrücken!“
Sprach´s und fand ganz ohne zu Bücken
den Knopf zum Drücken.
Die Henne katapultiert sich hinauf ins Gehänge,
doch schon wieder kommt sie gleich ins Gedränge.
Denn die gelbweißen Stiefmütterchen schrein:
„Hör auf, uns zu knicken!
Du bist so gemein!“
Die Henne kann jetzt zwar alles überblicken,
doch fühlt sie das Stoßen der Feinde im Rücken.


Sie steigt in den Rasen,
doch anstatt zu grasen,
hält ihr die Raupe schon parat
den saftigen Grünen: „Da ham´ wa den Salat!“
Salat will sie knabbern, …


… und Sellerie auch.
Der soll ja so gut sein, zum Kullerbauch.


Nun ist nur noch ein Nickerchen dran.
Das findet sie dann
unter dem Strauch
bei der Weigelie und mit Gänseblümchen auch.
Aus blutroten Glöckchen bedeckt sie der Schal.
Sie braucht nicht zu frieren.
Und mit einem Mal
haucht der Sommer den Abschiedsgruß.
Der Henne ist es, wie der letzte Kuss.


Der Herbst ist gekommen.
Die Blätter kullern benommen
mit den Windkindern.
„Ich geh zu den Findern
der Beeren in gelb und blau.“
Schon hört sie sie schimpfen,
die sammelnde Amselfrau
mit gierigen Bissen.
Doch die Henne ist gerissen,
„Ich hab grad verbissen
die Katz.“
Schon darf sie bleiben, am Beerenschlafplatz.


Der Herbst treibt den Gärtner wie mich immerzu.
Vor lauter Arbeit find ich keine Ruh.
Für ein Päuschen will ich Platz nehmen auf meiner Bank.
Mein Herz pocht wild,
ich werd´ fast krank:
Sie hat sie genommen,
mein kleines Gestell,
ich kann nicht mal sitzen,
sie okkupiert diese Stell´.
Ich fluche, ich schreie,
ich schick sie in den Wind,
ich muss doch sehr bitten:
Sie ist nicht mein Kind!


Derweil schleicht die Nacht ein.
Ich gehe ins Haus rein.
Es ist mir so schnuppe,
wo sie ist, diese Tonpuppe.
Sie wird es verwinden,
oder verschwinden,
kann sein, ich werd´ sie nie wieder finden.
Vielleicht fliegt sie mit der Fledermaus
über das Haus
und lacht mich aus.
Doch bald schon such ich überall,
doch leer ist der Fleck, wieder mal.
Ich schäm mich!
Ich hab das Tier vertrieben,
das wehrlose kleine,
wo ist es geblieben.
Der nächste Tag ist herbstlich kalt.
Und sie wird wohl frieren,
wie Hänsel im Wald.


Hach! Wie wird mir warm ums Herz,
Hach! Schon ist er weg der Schmerz.
Saß doch die Henne wieder da,
unter der Bank. Danke! Na klar!
Sie ist gut erzogen,
sie räumt es mir ein,
das Sitzrecht soll ab heute
nur noch das meinige sein.


Derweil ist ihr Opfer eher gering.
Die Henne schläft im Schuppen,
das gerissene Ding.
Kein Frost, keine Kälte tun ihr was an.
Nicht mal der immer räumende Ehemann.
Der Winter kommt,
das ist schon klar.
Die Henne friert nicht,
wie wunderbar.
Sie sitzt im Warmen und hält dicht.
Mehr drüber zu labern lohnt sich nicht.


Halt, halt!
Da latscht die Amsel durchs Gras.
Spuckt alle nass
und pfeift uns was.
„Ich hab die Henne im Busche gesehen.
Bei minus 10 Grad,
als Winterwegwart.“
dann ging sie davon, ward sie nicht mehr geseh´n.“


Doch was die Amsel nicht wissen kann:
Es kam der Mann und bot ihr was an.
Er spendierte ihr den Wacholderwein,
sie schlabbert ihn aus, viel ging nicht rein.
Nun sitzt sie im Gras.
Macht ihr das was?
Sie verkühlt sich den Po,
und ist dennoch froh.
Sie braut vom Wacholder den Schnaps sich gut,
dann latscht sie zum Busch mit Glut im Blut.
Bei minus 5 Grad war sie schneereif und schön,
doch irgendwann später war sie nicht mehr gesehen.
Fichte und Kürbis
Wenn eine Hündin ein Kätzchen großzieht, oder eine Kuh ein Fohlen, kann eine Fichte auch einen Kürbis groß werden lassen.
Es war nicht so geplant. Aber das geht Vielem in meinem Garten so. Und das Meiste endet mit Gewinn für alle Beteiligten.  

Der Kürbissamen fand keinen anderen Platz, als den neben der Fichte. Ungünstig, ich weiß. Zu trocken, zu schattig. Der Kürbissamen fand das gar nicht. Er keimte, er ließ Ranken wachsen, die Ranken setzten Blüten an, sieh an! So dachte ich und suchte eine Rankhilfe. Anfangs halfen die Bambusstöcke, dann wurden sie zu klein für den sich rekelnden Kürbis. Also bot ich ihm die größte Rankhilfe des Gartens an: die Fichte. Top! Er akzeptierte. Und innerhalb von drei Monaten hatte sich eine enge Freundschaft zwischen Baum und Borke entwickelt. Der Kürbis ließ seine Ranken an der Borke festhaken, schluckte von meiner Wasserkanne den Durstlöscher und entwickelte seine Früchte. Der Baum genoss die Wichtigkeit, nicht nur Vogelbewohner zu beherbergen, sondern auch umgarnt zu werden. Und ich, ich brauchte kein Rankgerüst, sondern konnte entspannt zusehen, was da so heranwuchs. Alle profitierten voneinander.

Bekommen haben die eine Frucht der Früchte unsere Enkelkinder, sogar signiert mit ihren Anfangsbuchstaben. Wenn dem Kürbis im frühen Wachstumsstadium ein Name eingeritzt wird, wächst dieser kontinuierlich mit. So hatte ich in Omas Garten immer Kürbisse, die meinen Namen trugen. Und so freuten sich auch meine Enkelkinder über den Kürbis, der eine dicke Freundschaft mit einer Fichte eingegangen war.

Lauch und Rose
Ein ungleiches Paar ist nichts Ungewöhnliches. Mein kringeliges Gartenpaar jedoch halte ich für exorbitant gewöhnlich: Es folgt einem außergewöhnlichem Drang einer Krümmung und ist gewöhnlich, weil es gewohnheitsgemäß der Schwerkraft, der Erdanziehungskraft der Rose und der Verbeugungskraft vor Schönheit folgt.

Reiher, Pelikane, Giraffen in Flugformation – so etwas schwungvoll Kreatives und dabei Graziles kann nur die Natur erschaffen. Was hatte diese Lauchschwengel zum Kopfschwung animiert?

Ah! Ja! Klar! Sie war es! Sie hatte ihnen die Kugelköpfchen verdreht – die Rose. Das war aber auch eine kleine rosa Schönheit. Gefüllt geöffnet bot sie sich den Beiden dar. Nicht untätig blieben die beiden eleganten Biegsamen. Mit festem Stand und scheinbar gut durchtrainiert boten sie der kleinen Duftikussi ihren Schutz an. Leger und dennoch devot breiteten sie ihre Umhüllungen um die Rose, damit sie ja kein Windstoß träfe.

Und was soll ich sagen – ein paar Schritte weiter schien sich diese Konstellation in meinem Garten einbürgern zu wollen: Ein zweites Paar erfreute sich meiner Anerkennung: Den Kopfschwung noch übend, verneigte sich ein weiteres Läuchlein-Paar, diesmal über eine ganze Rosenfamilie.

Narzisse mit Schmetterling
Einmal, nur ein einziges Mal wollte die Narzisse so sein, wie ihr Name es verheißt: Narzisstisch. Alle sollten glauben, sie sei ein verzauberter Jüngling, der nicht genug bekommen konnte von seinem Schönsein. An seiner unerfüllten Liebe zum eigenen Spiegelbild im See starb er. An jener Stelle erwuchs eine Narzisse. Vom verzauberten Jüngling Narziss spricht die griechische Mythologie.

Jedes Jahr im Frühling gibt sich die Narzisse die größte Mühe, zu leuchten. Die Schönste will sie sein, mal in Weiß mit zartem rot-orangenem Kelchrand, mal in Reinweiß, mal in Gelb, dann auch in klein oder groß. Jeder aber, der vorbei geht, sagt: Guck mal, die schöne Narzisse. Und irgendwo im Hinterstübchen kramt sich die Geschichte vom verzauberten Jüngling hervor.

Die Narzisse oder auch Osterglocke genannt denkt sich ihr Teil: Sie ist doch nicht nur die verzauberte Glocke!
Und wie der Zufall es will, kommt ein Schmetterling daher, dem man den Namen eines Vogels angehängt hat: Pfauenauge. Der Pfau wiederum trägt auf seiner Schwanzschleppe die hundert Augen des Riesen Argus. Argus sollte Heras Mann - den Gott aller Götter, also Zeus - von der Liebelei mit seiner Geliebten Io abhalten. Wenn nicht Heros, der Götterbote, gewesen wäre, hätten seine hundert Augen auch gewacht. Aber der Götterbote erfüllte die Liebesmission seines Herrschers Zeus und schläferte Argus ein. Hera, die Frau von Zeuss, erzürnte, tötete den Riesen Argus und heftete seine Augen auf die Schwanzschleppe des Pfaus.

Schuld und Sühne. Pech für Argus, den Riesen, zwischen die Fronte geraten zu sein. Und was konnte der Pfau dafür? Nichts. Und am allerwenigsten der Schmetterling. Schleppte der den Riesen durch die Lüfte, um an einer gelben Frühlingsblüte läuten zu lassen? Oder erschreckte der Pfau die Glocke, damit sie laut und gelb den Frühling einläuten sollte? Ich habe Pfauenvögel auf Bäumen sitzen sehen. In lauer Abendluft kreischten sie wie Katzen. Sie sind also laut und unerzogen.
Ich glaube inzwischen, dem Schmetterling war alles schnuppe. Er labte sich ganz einfach am Nektar der Narzisse. Er klappte seine Flügel auf und zu und hielt sie schließlich komplett geschlossen. Da schubste ihn die Narzisse an. Erschrocken öffnete der Schmetterling seine vier Pfauenaugen und murrte, dass er nicht gestört werden wolle. Im leichten Wind brachten die blauen Szillas ihre Kelche zum Schwingen. Die Narzisse aber legte einen Duftschleier um ihre Glocke. Wind und Narzissenduft wiegten den Schmetterling ganz zart. Da willigte der Schmetterling ein: Als bunte Schleife schmückte er den gelben Glockenkelch. Und schon hieß es: Schaut doch nur, wie eitel die Narzisse ist. Jetzt schmückt sie sich sogar noch mit einem Schmetterling.

Die Frühlingsblüher aber, alle Narzissen, Osterglocken, Szillas und Krokusse wollten auch so einen bunten Schmuck haben und öffneten ihre Kelche weit. Die Nektarproduktion war angelaufen. Das Frühlingsfest für die Bienen, Schmetterlinge, Hummeln und für welches Insekt auch immer war eröffnet. Nun bot sich den kleinen Eifrigen im gerade erst beginnenden Frühling genug zum Schlabbern und Saugen.


Skulpturen
Was für den Mann der Baumarkt, ist für seine Frau das Gartencenter. Da geh ich doch neulich gedankenversunken durch die Pflanzhilfeabteilung und überlege, ob ich die Rosen noch im fortgeschrittenen Wachstum in ein Korsett zwängen könnte. Die hochgewachsene Sonnenbraut braucht ebenfalls eine Stütze, die stets auseinanderfallenden Phloxe könnte ich ebenso zwingen. Gedacht, gekauft, nach Hause.

Beim Auspacken der grünen Turmgerüste stelle ich fest, dass sie sich vermehrt hatten. Immer drei dieser flotten Helfer waren ineinander gesteckt. Ihrer Bestimmung wollten sie nun nicht mehr nachkommen, sich nicht von den Rosen pieken lassen, sich nicht mit der Sonnenbraut streiten, sondern Künstlermodells sein.

Also habe ich sie auf die Wiese gestellt, die Tür aufgemacht und eine ad-hoc Open-Air-Ausstellung inszeniert. Die Besucher meinten, dass ich mein Talent entwickeln sollte.
Mache ich. Ich sammele die Ranktürme ein, stelle sie in den Schuppen und stülpe im nächsten Frühjahr den noch schlafenden Sträuchern und Rosen ungefragt ein Korsett über. Und jeder ist´s zufrieden.


Winde
Sie dreht links. Sie arbeitet gegen die Zeit. Sie windet sich von oben gesehen entgegen dem Uhrzeigersinn. Sie lässt sich von nichts und niemandem vorschreiben, wohin sie sich windet. Windet sie sich in die Nacht? In den Schatten? In den Nachtschatten? Nein, dann wäre sie ja eine Kartoffel, eine nachtschattengewächsige.

Eine Gartenfreundin schenkte mir ihre abgeblühte Winde zur Samengewinnung. Ich friemelte die Samenschoten ab, trocknete die Sämchen, und verstreute sie entlang des Zaunes. Heute weiß ich, dass ich nur knapp dem Tod entronnen bin. Die Winden winden nicht nur. Ihr Würgen ist nur eine der passablen Formen ihres Mordens. Sie töten auch richtig. Aber nicht gleich. Sie lassen uns halluzinieren.

Wer sehen kann, sieht: Sie macht es vor, mit ihrem Flor. Sie schraubt sich in höhere Sphären hinauf. Mit jeder Windung nähert sie sich dem Überirdischen. Ihre ureigenen Inhaltsstoffe lässt sie über sich hinauswachsen. So gesehen, so geschehen habe ich diesen Himmelsdrang nicht nur einmal in meinem Garten. Beim Anblick dieser Himmelsstürmerin leite ich ab, dass sie mir eine Brücke bauen will, eine Hexenbrücke. Ich könnte ihre Samen vertilgen. Das Alkaloid ließe mich auf dem Besen reiten. Durch die Nacht ja, aber dann wäre ich ja nicht da, wenn sie ihre Trichter mit den fünf Kronblättern aufstellt, um sie der Morgensonne feilzubieten.

In die himmlische Sphäre bringt es mich, dich, alle, wenn wir uns an den unreifen Samen vergreifen. Als Nachtschatten würde ich in Sphären der Magie entschwinden. Sie ist also doch ein Nachtschattengewächs! So! Ja, die Kartoffel und die Tomate auch, die dürfen wir blühend ja auch nicht essen, und die Winde, na die esse ich nun auch nicht mehr. Früher war´s, da galt ein Nachtschattengewächs kurierend, aphrodisierend, beruhigend, also war es ein Hexenkraut.

Gewiss, sie hat was zu bieten. Deutlich sichtbare Blüten. Doch nur temporär-elitär? Da verlasse ich sie des Morgens, gehe aus dem Garten, schaue sie an und denke: Wie schön! Foto machen! Spitzbübisch lächeln mir die Trichterblüten am Kringelstiel noch zu. Nicht nur Feuchtigkeit saugen sie auf, auch Anerkennung. Und hinterrücks? Ich ging weg, ich kam zurück: Blupp! Kurz nach dem Mittag schon waren die Blüten wie feuchtes Seidenpapier angekrumpelt und geschlossen. Vergänglich sind sie, die Windenblüten. Sie blühen nur für einen halben Tag! Sie spart an Blütenkraft, damit sie es bis in den Himmel schafft. Übrigens öffnen sich die Blüten auch nicht bei Trübsinn und trüben Wetter. Das ist schon ein Früchtchen, diese Winde.

Damit ihre Kurzlebigkeit zur Geltung kommt, wählt sie sich Objekte der Begierde aus. Bei mir hat die Winde sich am Olivenbäumchen vergnügt, an der Eberesche auch, am Zaun und am Rankgerüst. Ich ließ ihr den Spaß. – Bis sie es übertrieb. Da kappte ich ihren Trieb.

Erst punktet sie mit ihren Blättern. Wem sie mit diesen Herzchen fächelt, der fühlt sich angelächelt. Und dabei würde schon ein Blick in die Blüte reichen, um zu wissen, dass hier die pure Intrigantin wirkt und würgt. Je größer desto würgender. Dieser „ach, das ist ja lustig“ Kringel fängt ganz langsam an. Wie ein Armreif. Dann kommt der Wachstumsschub und der Ast ist reif. Noch ein Stück und noch ein Stück schiebt die Winde. Zum Glück wird sie so euphorisch, dass sie über das Ende hinausschießt. Und schwupps, ist sie entdeckt.

Selbst als Tier hat sie es versucht. Sie legte sich über den Strauch und ahmte den Pfau nach. Seine grüne Schleppe legte sie platzeinnehmend über die rückwärtigen Sträucher. Als kein Strauch mehr zum Einnehmen war, zog sie einen Schwanenhals aus ihrem Zauberregister, der in magische Schlangen mit 7 Kopf-Enden überging und „Attacke voraus!“ zu rufen schien. Unfassbar! Aber ich fasste sie dennoch!
Was soll ich sagen? Es gibt sie nicht mehr, die wilde Hilde.


Zurück zum Seiteninhalt