Winterblüte
Botanisch: Chimonanthus praecox
Besonderheit: Duft-Winterblüte, Winterweide für Insekten
Auch dieses Gewächs hat in meinem Garten schon seine Höhen und Tiefen hinter sich. Es hat sich unter meinen Sträuchern schon herumgesprochen, dass man sich den vorteilhaften Platz verdienen muss. Zum Nachteil gereicht dieses Umhergepflanze den Sträuchern nicht – wenn sie sich dann damit abgefunden hatten.
Da hab ich die Winterblüte von dem Beet der Maiglöckchen weggepflanzt und sie neben die Magnolie gesetzt. Seitdem ruckelte sie sich wie ein Vöglein im Nest den Platz zurecht und schob ein Zweiglein nach dem anderen hervor. Im dritten Jahr las ich noch einmal nach, was ich denn an dieser Winterblüte Schönes haben könnte. Gekauft hatte ich sie, weil sie eine seltene Pflanze ist. Weil sie im Winter blühen und duften soll. Ja, das wollte ich haben. Und was stand dort: Es dauert rund fünf Jahre bis sie ihre Blüte zeigt.
Hach! Wie teuflisch! Das hatte ich überlesen.
Nun aber im 4. Jahr, bin ich beglückt worden von dem jungen Strauchkind. Es blüht! Es blüht im Januar. Wie schön. Nicht wie eine Rose, nicht wie eine Tulpe, nicht mal wie ein Lauch mit den vielen kleinen Blütenkugeln. Dieser Strauch blüht wie eine Pflanze, die mit ihren Reizen haushalten muss, denn der kalte Winter könnte ja die zarten Blüten erfrieren lassen. Und was soll dann eine Wildbiene machen, die zur Nahrungsaufnahme in der Umgebung des milden Winters unterwegs ist?
Und so habe ich mir die einzelnen überschaubar angebrachten Blüten angeschaut. Sie öffnen sich glockenförmig in Richtung Erde. Wahrscheinlich, um die wertvolle Blüte nicht durch abfallende Nässe zerstören zu lassen. Duften soll sie, schrieb man. Also kroch ich an den Strauch, kroch an die Blüte, kroch an das Dufterlebnis. Und siehe: sie duftete verhalten nach Vanille. Nicht überschwänglich wie eine Rose. Aber für eine früh aufgestandene Wildbiene wird dieser zarte Duft gut zu orten sein.
Nun hat sich die Winterblüte hochgearbeitet. Sie misst jetzt rund 2,20 Meter. Bis zu 3 Meter soll sie wachsen können. Da hör ich schon wieder meinen Mann: „Das wird ja alles so hoch. Wie hoch wächst der denn noch?“ Ist ja kein „der“. Ist eine „sie“. Die Blüte für den Winter.
Und sie arbeitet weiter an ihrer schlanken Silhouette. Sie bilden ein nettes Paar, der rundliche Sternmagnolienstrauch und die schlanke Winterblüte. Die Magnolie beginnt erst im sehr warmen Frühling zu blühen, meist im April. Und so sind sie blütenmäßig wie Sonne und Mond: Sie werden nie zusammenkommen. Was sie aber beide eint - sie sind genügsam.
Im April kümmert sich die Winterblüte wieder um ihr Blattwerk. Die Blätter sind nicht weich und grün, sondern hart und rau. Wunderbar hellgrün werden sie leuchten. Im frühen Winter, bis zum Abfallen und schon in Konkurrenz zur Bildung der Knospen, werden sie holzbraun, angenehm warmfarben.
Im Juni des 4. Jahres hatte ich meinen Kreisch-Alarm! Ich stand am Abend des Mittsommers, goss die Sträucher und dachte an nichts. Da wanderte mein Blick in die Winterblüte. In Schockstarre mit Schlauch in der Hand verharrte ich. Wo kamen die denn her?! Da saßen direkt am Zweig, verborgen hinter und unter den rauen spitzen Blättern Früchte. Wie kleinste Ananas-Früchte waren sie geformt, gelbgrün und nur halbfingergroß. Den Kopf der Frucht zierte ein spitzes Krönchen. Der Fruchtmantel war leicht geschuppt, eher glatt. Die Leuchtend-Lindgrüne hatte sich ihre Nachkommen geschaffen. Sie trug Früchte!
Ich schnitt eine Frucht auf. Es ging schwer, denn fast ledrig war die Schale. Darin lagen vier längliche glatte Kerne, separiert durch eine weiße Innenhaut wie bei einer Grapefruit. Den weichen Kern schnitt ich auf und fand darin einen weiteren weißen Kern. Ein winziges Stück kostete ich: Es schmeckte extrem bitter.
Meine Entdeckerfreude sollte mir fast das Leben kosten, na ja, dramatisch beschrieben. Später erst, las ich über die Samen, dass sie das Alkaloid Calycanthine enthalten. Es ist giftig! Na toll!
Immer wieder ging ich zur Winterblüte, schaute mir ihre Früchte an und erfreute mich am offensichtlichen Wohlfühlgebaren dieses seltenen Gehölzes in meinem Garten. Bis zum Herbst.
Winter-Wunderblüte im Herbst! Durch den Herbstgarten streichend, schaute ich in die Sträucher, um ihre Frühjahrsvorbereitungen zu begutachten und sah sie gut gerüstet. Die Winterblüte war gut mit Knospen direkt an den Zweigen bestückt. UND – ganz verschämt hingen an den Zweigen im Inneren des Laubwerkes ein paar schrumpelschwarze Mumienfrüchte. Es waren die Samenhüllen, die im Laufe des Sommers von den Vögeln angepickt wurden. Die Samen darin, also die Nüsse, waren weg, also verzehrt! Diese verfressene Flatterschar!
Wenn meine Gartenvögel nun auch noch zu Passierwegen der Samen werden, wie bei Kaffeebohnen, die Katzendärme durchlaufen, gibt es für mich eine Marktnische, in die ich hineinspringen muss. Denn, wenn aus Kaffeebohnen durch Katze Civet mit Magenfermentierung extremexzellenter Luwak Kaffee oder Civet Kaffee oder einfach nur Katzenkaffee wird, könnte doch aus meinen giftigen Winterblütennüssen, nach Durchwanderung des Vogelinneren, eine geläuterte extremexzellente antivirale Immunnuss werden. Mal gucken. Da muss ich wohl dran bleiben.
Oder aber, ich arbeite für ein Superöl. Wenn der Winter die Blüten hervorruft, nehme ich eine Handvoll zur Ölherstellung. Die Vorlage dafür liefert mir die Traditionelle Chinesische Medizin.
Wenn ich aber einfach nur weiter Gärtnerin bleiben will, dann labe ich mich im Frühwinter an den leuchtenden goldfarbenen schlanken Blättern, die im Gegensatz zu den anderen einheimischen Sträuchern sogar noch mit leichtem Hellgrün durchsetzt sind.