Giftgarten - Gartensinn

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Mein Giftgarten

Jedes Ding ist Gift, kein Ding ist ohne Gift, allein die Dosis macht, dass das Ding nicht giftig sei.
 
So äußerte sich Paracelsus und er musste es wissen: Er war sehr gelehrt. Im Laufe meiner Gartenarbeit lernte ich, dass der Eigenschutz der Pflanzen auch Schutz für uns Menschen sein kann. Vorausgesetzt, wir wenden die richtige Dosis an oder noch besser, wir lassen Fachleute darüber bestimmen. Nehmen wir als Beispiel nur den Fingerhut: Digitalis hilft ärztlich verschrieben und wohldosiert bei Herzschwäche.

 
Als ich mich mit Bienen und deren Blütennahrung beschäftigte, tauchten auf einmal auch viele Frühlingsblüher auf, die früh und blühend und wunderbar nährend sind, dabei aber auch ihren eigenen Überlebensmodus hochfahren. Vielfach sind es die Frühlingsblüher, die ihre frühen Blüten gegen Fressfeinde schützen müssen. Also fand ich bei ihnen auch viel Gift, das sie nicht gegen uns, sondern gegen Fressfeinde produzieren. Und so mutierte manche Zierecke in meinem Garten zum „Giftgarten“. Vielfach fand ich die Giftigkeit auch für mich überraschend bei Pflanzen, von denen ich es gar nicht vermutet hätte.

 
Und wie das so geht, jedes Ding hat nicht nur eine Seite. Vielfach sind Giftpflanzen auch Heilpflanzen. Vielfach haben sie ihren mystischen Touch gerade deswegen. Schon vormals setzten die Kräuterkundigen ihr Wissen beherrschend ein. Mit Giften konnten sie Halluzinationen bewirken, konnten die Geister beschwören, wurden zu Wissenden über Geist und Gesundheit. Wissen ist eben Macht. Und so können Giftpflanzen mächtig sein, wenn sie zerstören, oder aber wir nutzen die mächtige Kraft zum Heilen.

 
In meinem Garten muss ich wissen, welche Pflanzen Giftstoffe produzieren. Damit schütze zuallererst ich mich, schütze meine Haut vor Reizungen, meine Schleimhäute vor Verätzungen, meine Organe vor Krämpfen. Ich muss Besucher vom Kontakt mit einer ach-so-schönen Pflanze fernhalten. Ich darf keine Pflanzen verschenken, die gefährlich werden können oder der Gesundheit schaden.
 
Oft war ich überrascht, als ich vom giftigen Geheimnis meiner Pflanzen erfuhr. Darum habe ich sie mir genauer betrachtet. Sie sind mir deshalb nicht weniger lieb.

 
Wie sollte ich mich nicht über den sich ausbreitenden Aronstab freuen? Er ist ein Erlebnis der visuellen Art, über Monate hinweg. Seine Heimat ist die Mittelmeerregion. Aber auch bei mir im Norden Europas gefällt es ihm. Ich hatte ihn unter den Kirschlorbeer in den gemäßigt-feuchten Halbschatten gesetzt. Ohne meine weitere Beachtung wuchs er vor sich hin, fast ganzjährig dunkelgrün und ohne weitere Ansprüche an mich. Er ist wintergrün und frühlingsaktiv, tritt im Sommer vor der Vielzahl der Sommerblüher in den Hintergrund und erfreut mich ab Herbst wieder mit dominantem glänzendem Blattwerk.

 
Und dann kommt die wunderschöne blühende Variante einer Rose im Winter daher, eine Christrose. Von der umfassenden Vielfalt der Nieswurz-Sorten habe ich nur ein Quäntchen vom Glück im Garten. Dennoch, diese Wenigen sind ein Hinweis auf die Anpassungsfähigkeit der „Helleborus“-Pflanzen. Angefangen hat es wie mit allen Pflanzen: „Ach, warum nicht. Kaufe ich mir mal eine Christrose.“ Das war im Winter und es gab sogar noch Schnee. Im Frühjahr setzte ich den Weihnachtsblüher in den Garten. Dann sah ich diese christlichen Rosen im Fachhandel auch vor und nach Weihnachten. Ich las mehr. Und jetzt habe ich auch ein bisschen Mehr vom schneeweißen Blütenmeer in kalter Jahreszeit.
 
Er aber, er bleibt ein Warmduscher. Dennoch, ich will ihn. Denn er ist keine Mimose. Er hat die ursprünglich enthaltsame Lebensweise auf Trockenland in seinen Wachstumsgenen gespeichert. Insgesamt wachsen mehr als 20 Arten. Im Blühstadium sieht er immer fröhlich aus. Wie ein perfektes Kostüm trägt der Fingerhut sein sattgrünes Blattunterteil zum rosa bis hellvioletten Glockenoberteil. Andere Farbnuancen gibt es als Zuchtpflanzen; mein Garten- und heimischer Fingerhut hat die rosa Farbe gewählt, die ins Purpur gleitet. Entsprechend trägt er den schönen botanischen Namen „Digitalis purpurea“. Wildwachsend kommt auch ein Gelbton vor.

 
Und dann fahre ich Anfang Mai irgendeine Autobahn entlang und - bin beglückt. Ich bin flankiert von strahlendem Gelb, von sanft sich im Wind wiegenden gelben Schmetterlingsblütlern. Und ich denke an Sonne. Über und über behaftet sind die Rutenzweige mit den gelben Hülsenfrüchtlern. Dass die so heißen, weiß ich erst seit 4 Jahren, nämlich seitdem ich wieder einmal eine Pflanzgier verspürte und die Ginsterarten bei mir einzogen. Ginster entzückt mich. Allerdings ist Ginster nicht gleich Ginster. Meine Art wird auch Besenginster oder Geißklee genannt oder botanisch Cytisus. Um die Verwirrung perfekt zu machen, wird Cytisus dann wiederum im Fachhandel als Edelginster angeboten. Und das eben sind meine Exemplare - edel. Schließlich kann ich ja keinen Strauch von der Autobahn wegklauen!

 
Aber dieses Teil hier scheint keine Zeit zu kennen. Zeitlos schön ist es. So sagt man, wenn etwas nicht der Mode hinterhergaloppieren muss. Es ist zeitlos in seiner Schönheit. Im Gegensatz dazu blüht diese Pflanze zeitlich begrenzt. Die Herbstzeitlose hat ihre Zeit im Herbst, also ist sie nicht zeitlos, aber sehr schön. Die limitierte Blühdauer übertrumpft dieses Zwiebelgewächs mit seinen Blüten, die dem Krokus (Link zu Frühlingsseite-Krokus) ähneln. Dabei ist sie aber gar kein Krokus. Herbstzeitlose gehören zur Familie der Lilien. Wobei auch der Krokus keine eigene Familie bildet, sondern zur Familie der Schwertlilien gehört. Nicht drüber nachdenken! Einfach genießen! Schönheit hat seine Zeit!

 
Zeit macht nur vor dem Teufel halt, heißt ein Liedtext. Das Frühjahr ist die Zeit, in der die Winterteufel vertrieben sind. Die frühen Blüher erfreuen mich. So wie diese hier. Sie sind verwandt mit den Anemonen. Die blaue Art der Küchenschelle in meinem Garten nennt sich „Blaue Glocke“. Schelle wie Glocke, oder auch Kuhglocke oder Silberglocke; es schellt die Glocke den Frühling herbei. Der Name kommt vom Kühlein, also vom „Kühchen“. Daher ist “Küche“ als Wortteil falsch, „Kuh“ wie Kuhschelle aber sehr richtig, so wie es botanisch „pulsatille“ auch heißt. Wenn die Blüten gerade am Aufbrechen sind, kann man sie sich als Kuhglöckchen vorstellen. Ich stelle mir zusätzlich vor, dass ein Alphirt über die Alm latscht, das Blümchen sieht und denkt: „Huch, schaut aus wie die Glocke meiner Liesl.“ Er erzählt es im Tal und schon ist der Name „Kuhglocke“ gefunden. Warum aber Küchenschelle? Erzählte der Küchenjunge die Geschichte dem Superkoch und erhielt dafür eine Schelle? Quatsch!
 
Und dann das hier, das ist doch eine Schelle für alle Duftikusse. In den Giftgarten gehört es! Das Maiglöckchen! Ach, nee! Es ist es doch DIE Maiblume!

 
Die duftenden Glöckchen auf den langen Stielen haben wir als Kinder mit dem breiten Hüllblatt zu Sträußchen verpackt und als Frühlingsboten der Mutter und der Oma überreicht. Und haben die Nasen voll reingehalten in den betörenden Duft. Giftig! Pah! Schon der Gedanke, dass über ein ganzes Tal die nickenden Glöckchen in frischgrünen Mäntelchen ihre Duftdecke breiten, weckt gute Gedanken. „Lilie des Tales“ heißt das Maiglöckchen im englischsprachigen Raum. In meinem Garten heiße ich sie weiterhin willkommen.

 
Wie kann der Grüne locker sich Wiegende seine Zweige aus der Mitte seiner selbst Austreibende giftig sein? Pah! Ich pflanzte das Pfaffenhütchen wegen des Rotkehlchens. Jawohl. Dieses kleine Wesen hüpfte immer neben mir, wenn ich unter dem Bambus das alte Blattstroh hin und her bewegte. Ja klar, es war auf Futtersuche. Es rief mir zu, ohne dass ich es hörte: Nu mach schon! Wirbele und zwirbele! Ich will die Erdflöhe, die Mücken, die Fliegelein in meinem Schnabel schmecken, sehr fein!

 
Und da wir uns als Gibste-mir-geb-ich-dir-Gemeinschaft verstanden, pflanzte ich ihm den Spindelstrauch, alias Pfaffenhütchen, der als Rotkehlchen-Nahrung gilt. Er hat sich gemausert. Nun steht er schon das 3. Jahr in einem Hochbeet. Ein wenig Kalk mag er, also bekommt er ihn – mit Eierschalenwasser. Gedankt hat er es mir mit überreichem Früchteschmuck. Den gebe ich gern an das Rotkehlchen weiter – is ja giftig!

 
Damals war´s, Geschichten aus dem alten Brandenburg. Damals lief ich im Februar ungeduldig zur Buchshecke in Omas Garten. Daneben sollten sich die ersten Schneeglöckchen zeigen. Und wenn sie es taten, freuten wir uns unbändig über die zarten graugrünen Spitzen im Schnee. Sie „atmeten“ sich ihre Welt frei, ließen den Schnee rings um ihre Horste schmelzen und schoben sich uns täglich ein Stück zum Glück näher.

 
Schneeglöckchen betreiben Thermogenese. Dieses Phänomen beobachteten wir, wenn rings um die Horste die Stellen freigetaut waren. Für die Insekten ist dies eine phänomenale Wärmequelle, so, als wenn ein natürlicher Radiator in Gang gesetzt wird. Die Blütenstände der Pflanzen sind auf diese Weise leicht erwärmt, was die Insekten auf ihren Nahrungsflügen beim Zwischenlanden nötig haben. Es stören sie keine Giftstoffe in Blatt oder Blüte.

 
Die Stechpalme hat sich gut zurechtgefunden im Garten, kam aber als Wanderer zwischen den Welten von meinem Balkon. Dort wuchs und trieb sie aus, hatte aber unter den Blättern oftmals Wollläuse. Am liebsten würde sie Halbschatten über sich wissen, was die Straßenlinden nur moderat bieten, dafür aber sehr viel Bodentrockenheit produzieren. Als Gartenbewohner hat sie diese Schädlinge bei extremer Trockenheit nicht ganz abgelegt, aber sie entwickelte sich bisher prächtig, setzte Blüten und auch Früchte an. Ihrem möglichen Alter von 300 Jahren steht also nichts im Wege. Allerdings – wenn sie freiwachsend und weiterhin unter Naturschutz gestellt bleibt.

 
Sie ist ein immergrüner Strauch, die Stechpalme. Ich muss mich noch intensiver mit ihren Wünschen auseinandersetzen. Der Extrahappen an saurer Erde gefällt ihr. Also lege ich um ihren Fuß Rhododendronerde. Sie nimmt, was sie kriegen kann, und setzt ihre giftigen Früchte an.
 
Von der Wolfsmilch gibt es so viele Sorten innerhalb der Gattung, und darunter wiederum so viele Arten. Drei davon habe ich mir in den Garten gesetzt. Meine Wolfsmilcharten sind kleine verholzende Sträucher, also überdauern sie die Jahre.
 
Es muss aber außer ihrer Blattschönheit noch einen Pluspunkt geben, den das Wolfsmilchgewächs an sich hat. Euphorbia heißt es botanisch. In diesem Namen steckt die Ehrung des Leibarztes des Königs von Mauretanien vom 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Euphorbus hieß er. Hat er dem König den Saft verabreicht, damit dieser die Stärke des Wolfes aufnähme? Jedenfalls verabreichte der Volksmund der Pflanze den Namen „Wolfsmilch“, weil sie ätzend und abführend gefährlich ist, allerdings auch antiviral und antibakteriell. Doch es geht der Pflanze nicht um uns, sondern um sich, um ihren ureigenen Schutz. Ihr Giftsaft verleidet Fressfeinden den Appetit, sich an Blatt und Blüte zu vergreifen.

 
Und so ziehe ich denn immer mal wieder aus meiner Gartenarbeit Schlüsse, die mich überrascht aufhorchen lassen, denn manchmal finde ich mich richtig weise: Geht es uns nicht auch mit Menschen so, dass die Schönlinge nicht immer die Wohlbekömmlichsten sind? Erleben wir nicht die angenehmen Überraschungen mit denen, die uns eher unscheinbar daherkommen und die sich dann zu Schätzen entwickeln? Meine Schätze hüte ich. Gern aber teile ich meinen Wissensschatz mit Interessierten.



Aaronstab
Botanisch: Arum italicum
Besonderheit: giftig in allen Pflanzenteilen, unter Naturschutz stehend

Der heimische Aronstab schiebt seine Blätter im lichten Laubwald erst im Frühjahr aus der Knolle hervor. Aufpassen soll man dann, um die verdeckten Blätter nicht versehentlich mit dem Bärlauch zu ernten, denn alle Pflanzenteile sind giftig. Er wurde 2019 zur Giftpflanze des Jahres gekürt.
Mein Aronstab ist ein Arum italicum. Er schöpft seine Kraft aus den Knollen und hat nach drei Jahren seine angesetzte Höhe von rund 30 cm erreicht. Den Ansatz von „Altar“ trägt er im lateinischen Namen. So soll er denn auf dem Altar meiner schönen Giftigen wachsen.
Ich liebe sein ausgefallen designtes Blattwerk! „Pfeilförmig“ heißt die Form fachmännisch. Dunkelgrün bis ins Kraftstrotzende schmückt er sie mit markanten Blattadern in hellen Linien. Wie das Röhrensystem der Lunge erscheint dieser Aufdruck. Wieso heißt er dann Aronstab und nicht Lungenblatt? Ja, ja, er wollte es so.

Zum Designblatt hat er sich den extravaganten Blütenstab geleistet. Von März bis Mai prunkt er damit. Aus der Blattwurzel schiebt sich ein zartes hellgrünes Spitzbübchen empor. Dieses noch alles verhüllende Deckblatt heißt Spatha. Nach einer weiteren Woche will sich der Winzling nicht mehr verstecken. Die Spatha platzt auf. Das Spitzbübische setzt sich durch: Ein fingerdicker Mittelstab ist gewachsen, fachmännisch Spadix genannt. Die winzig-kleinen Blüten umhüllen den Stab und bilden eine Gemeinschaft: unten blüht es weiblich, darüber männlich und oben geschlechtslos. Das Hüllblatt legt sich deutungsvoll bzw. abgeschlafft zur Seite, damit dem Blütenstab volle Achtung zuteilwird. Kurze Zeit später werden die Grünblätter gelblich, ziehen ein und treiben im Herbst wieder aus. Das macht ihn wertvoll für die Beetgestaltung.

Was ist noch so besonders an dem Aronstab? Der Aronstab sendet seine Duftstoffe. Man sagt, sie sind nicht delikat; sie ähneln eher dem Aasgeruch. Bisher jedoch fand ich das nicht um-werfend. Aber mich will er ja auch nicht locken. Die Fliegen lockt er, der Genusssüchtige. Und damit die Flieger ihm noch etwas Gesellschaft leisten, hat er seinen Stab eingesalbt - mit klebrigem Serum. Die Insekten kleben, fallen, sind wehrlos. Sie rutschen hinab in den Kolben. Wie im Chemieunterricht. Im Kolben lullt sie eine Lösung ein. Er ist nicht bösartig, i bewahre. Nach Gutdünken des Wirtes werden seine Bestäubergesellen wieder entlassen. Seinen Zweck hat er erreicht. Er ist befriedigt, bestäubt und betäubt vor Glück und entwickelt nun seine Samen.

Denn nun arbeitet er an einem exorbitanten Überraschungscoup. Er wird zum Perlenproduzenten! Festsitzende tiefgrüne Perlen umhüllen den oberen Teil des Stabes ab Juli/August. Knallrot werden sie aus lauter Energie dann im August. Sie sind sein Früchtepotential. Und schon ist er ab Vergehen. Das Werk ist vollbracht, die Nachkommen sind gemacht.

Plinius, der im 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung als Naturgelehrter und römischer Verwaltungsbeamter aktiv war, meinte, dass „aron“ aus dem Ägyptischen komme und Natternkopf bedeuten würde. Da sind wir dann beim Gift. Denn die Früchte, die Blätter, die Wurzeln dieser offiziell titulierten „Kesselfallblume“ sind stark giftig.

Das Mittelalter titulierte den grünen Blütenstiel zum Stab des Aron, der laut 4. Buch des Moses in der Wüste ergrünte. Ich bin die Wüste in diesem Teil der Welt, in Jordanien, abgeschritten. Bis zum Sprudeln einer Quelle hat es Moses damals mit Hilfe seines Stabes geschafft. Medizinisch wurde der Aronstab zu jener Zeit als „Zehrwurz“ gegen Lungentuberkulose eingesetzt, und im 16. Jahrhundert, was ja auch als aufgeklärtes Mittelalter gilt, bezeichnet man den Blütenstab als „Pfaffenpint“. Der vergrößerte Blütenstand soll einem Penis von – häh? – naja, jedenfalls ähneln.
Schon die Berührung der Früchte kann Hautreizungen verursachen. Wir sollten auch bedachtsam mit seinen Blättern umgehen; geschädigt werden Schleimhäute durch den Scharfstoff Aroin und Caliumoxalat durch Verätzungen.

Jedoch bewahrheitet sich im Allgemeinen der Paracelsus´ Spruch: Allein die Dosis macht´s bzw. im Fall des Aronstabs auch die Verwendungsart. In Hungerzeiten diente die Wurzel den Menschen über Jahrhunderte als Gemüse, getrocknet oder als Mehl vermahlen oder eben gekocht. So war dieses heutige Kuriosum eine Gemüsepflanze! WEIL - die Giftstoffe beim Kochen einfach verkochen! Er kocht nicht aus Wut, sondern aus Gift. In Zeiten der Kräuterfrauen und der Volksmedizin verdünnte man die Substanz aus der Pflanze für Heilzwecke bei Erkältungskrankheiten. Heute noch wird Aronstab in der Homöopathie verwendet.

Ich find ihn einfach beeindruckend, vor allem seine kräftigen Blätter, die im milden Winter einen Teil der grauen Erde breitflächig verzieren. Im Frühling geht er die Freundschaft mit den kleinen Veilchen ein, die es gern schattig lieben und überdacht von einem wunderschönen Blatt dann für uns fleißig blühen.

Christrosen (auch Lenzrosen oder Schneerosen)
Botanisch: Helleborus niger, Helleborus Orientalis-Hybriden
 
Besonderheit: stark giftige Inhaltsstoffe in der Wurzel, unter Naturschutz und als besonders geschützte Art auf der Roten Liste stehend

Ja, wieder einmal haben sie es geschafft. Oder besser - gemeinsam haben wir es geschafft. Sie gedeihen. Sie nehmen zu an Stärke und Schönheit. Nieswurzarten sind gemeinschaftsorientiert und stören sich nicht an zu eng gepflanzte Nachbarn, was in meinem Garten als Plus für sie wirkt.

Und ich freue mich daran. Etwa auch daran, dass sie im Giftgarten gelandet sind? Nein! Wir müssen Respekt vor den Eigenheiten der Pflanzen haben und die Kenntnisse der Gelehrten aufnehmen: Die Dosis macht das Gift. Also sind meine Schönen zwar giftig, aber auch wintertauglich. Und das erfreut eben!

Außerdem trage ich im Garten immer Gartenhandschuhe. Ich wasche mir ausgiebig die Hände und reibe mir kein Pflanzengift in die Augen, erst recht nicht lutsche ich an der Wurzel. Die Saponine in der Pflanze, unter anderem Helleborin, reizen die Schleimhäute; die Wurzel ist stark giftig. Der Name der Christrose - „Nieswurz“ - war früher Programm.

Der Name ist legendär: Ein Hirte in Bethlehem soll sehr traurig gewesen sein, weil er für das neugeborene Christkind keine Blume hatte. Vor Kummer weinte er. Seine Tränen verwandelten sich in die weißen Blüten der „Schneerose“, wie die Blume auch genannt wird. Fortan hieß sie dem Ereignis und dem Zeitpunkt entsprechend „Christrose“.

Christrosen und Lenzrosen sind beliebt, aber für mich stellte sich die Frage: Was ist der Unterschied zwischen den beiden? Die Antwort ist: Beide gehören zur Gattung Helleborus, es sind aber unterschiedliche Arten. Die Christrose ist die Art Helleborus niger, die Lenzrose die Art Helleborus Orientalis-Hybriden. Die Christrose ist in Europa heimisch und blüht je nach Sorte von November bis April. Es gibt viele verschiedene Sorten, die aber alle eines gemeinsam haben: sie blühen weiß. Die Lenzrose dagegen kommt aus der Türkei und dem Kaukasus. Sie wird auch als Frühlings-Christrose bezeichnet und blüht im März und April in vielen verschiedenen Farben, hauptsächlich in Violett, aber auch in Weiß oder Orange. Im Vergleich zur Christrose haben sie verzweigte Blütenstände; unsere heimischen Christrosen haben nur eine Blüte pro Stiel. Schneerosen wiederum sind eine Kreuzung aus Christrose und Lenzrose. Sie sind sehr widerstandsfähig, wuchsfreudig, genügsam und verkraften auch sonnige Standorte. Für mich sind sie alle der Bewunderung wert, denn sie wagen sich schon im Schnee oder noch bei Schnee mit Blüten aus dem Laub.

Wildwachsend gibt es Christrosen noch in Bayern, Berchtesgarden, und in Teilen Österreichs. Die Christrosen stehen in Deutschland auf der Roten Liste der besonders gefährdeten Arten und dürfen nicht gepflückt werden. In meinem Garten schütze ich sie, pflege ich sie und bewundere ihre vielfältige Schönheit.

Besonders aber gefällt mir ihre Ganzjahresenergie. Frühstarter zeigen sich mir ab November, die späteren Blüher folgen ab Dezember. Meine frühe Sorte ist auch gleichzeitig eine alte Sorte. Sie blüht bei mir und überhaupt im November und hat den passenden Namen „Praecox“. Das „prä“ ist ihr Motto, denn sie blüht „vorzeitig“.

Die weißen äußeren Blätter der Christrosen sind Hüllblätter; die eigentlichen Blüten sind die mittig sitzenden Kelchblätter. In der Regel legen sich fünf Blütenblätter um das gelb bis weiße Blütenzentrum, womit ein sicherer Schutz für die Bestäubung und damit den Fortbestand gewährleistet ist. Ende November, Anfang Dezember sind die Staubgefäße und die Nektarien hell und gelb leuchtend. Bei ihren späten Ausflügen brauchen die Wildbienen die schnelle Orientierung zur Futterquelle. Die Nektarien locken die Insekten zusätzlich mit Duft an. Die Schneerosen sind aber so gewieft, dass sie zu Selbstversorgern mutieren, sollten keine Insekten fliegen: Sie befruchten sich selbst.
Auch das Erschlaffen bei großem Frost musste ich schon zur Kenntnis nehmen. Jedoch schalten sie dann nur ihre Schutzfunktion ein. Wie Roboter senken sie den Zelldruck, um die Zellwände nicht platzen zu lassen. Bei wärmeren Temperaturen richten sich die Stiele wieder auf.

Im Winter geben sie den Frühlingsblühern den Schutz vor deren Austrieb. Im Sommer schützen ihre saftig-grünen Blätter den Boden vor Austrocknung. Sie selbst verbergen sich dann unter Sommerstauden, da sie gern im Schatten stehen. Das heißt, die robuste Pflanze Helleborus zieht sich im Sommer nicht zurück. Je nach Trockenheit sind die Pflanzen auch mal etwas gelber, meist aber bleiben sie sattgrün belaubt.

Neben der „normalen“ Schneerosenart mit den fünf abgerundeten weißen Hochblättern, lässt im Frühjahr eine Lenzrose am Beetende ihre länglichen leicht gewellten Hochblätter über dem schlanken stark gefiederten Blattwerk erblühen. Sie gehört zur Art der Orientalischen Lenzrosen und trägt einen verzweigten Blütenstand. Ihre langen Staubgefäße hängen leger wie filigranste Glockenstempel herab. Die Laubblätter strecken ihre geschlitzten handförmigen Blätter ausgedehnter über den Boden als die anderen Arten. Den Namen dieser Gartenschönheit kenne ich nicht, erkenne nur den Unterschied.

Ich habe das Laub der Pflanzen auch schon komplett abgeschnitten, weil ich las, dass dies der Blattkrankheit vorbeugt. Die Schwarzfleckenkrankheit wird durch einen Pilz verursacht. Er legt sich auf die Blätter und geht in die Stiele. Die Blüten werden nicht mehr versorgt und sterben ab. Auch ein zu feuchter Standort mit niedrigem ph-Wert begünstigt einen Pilzbefall. Eine Behandlung mit Algenkalk soll dagegen helfen. Bis jetzt musste ich mit dieser Krankheit noch nicht kämpfen. Vorerst entferne ich zur Vorbeugung gegen die Krankheit nur die älteren gelblichen Blätter. Das aber mache ich an einem trockenen Tag, um die Schnittstelle vor feuchtem Schimmel zu schützen. Und dann ab mit den alten Blättern in die Tonne. Auch Handschuhe trage ich – wie fast immer im Garten. Beim Schnitt tritt Saft aus, der die Haut reizen kann.

Im Herbst gibt der Regen der Helleborus nach einem eventuellen Sommerhänger durch Trockenheit ihre Kraft zurück. Sie erheben ihre kräftigen handförmig gefiederten Blätter über Bodennähe. Mit Bedacht. Denn sie verdecken noch den bräunlichen Kringel, an dem sich eine tulpenförmige Knospe ankuschelt. Später werden die als fachmännisch bezeichneten „endständigen Blüten“ zu sehen sein.

Im Frühjahr sind die Schneerosen in ihrem Abblühstadium. Dann zeigen sie mir ihre Kunstfertigkeit, indem sie Samenkapseln ansetzen. Balgfrüchte nennen sie sich. Ameisen lieben die langen Fühler der Samenkörner als Nährstoffquelle und verbreiten sie auch. Als sternförmige Gebilde leuchten sie vom Zentrum her noch hellgrün, während der Großteil der Frucht schon mit rostroter Farbe überzogen ist. Am Ende haben sie mit prallen Samenanlagen für die Vermehrung vorgesorgt. Allerdings soll man bei den jungen Pflanzen die Samenkapseln abschneiden. Das spart der Pflanze die Kraft für den Aufbau der Blüten im darauffolgenden Jahr.

Im März erhalten meine Christ- und Lenzrosen ihre Düngergabe mit Hornspänen, da in dieser Zeit schon die Blüten für die nächste Saison angelegt werden, im Juli bekommen die Pflanzen dann ihre zweite Gabe.
Besondere Bemühungen habe ich ihnen nicht gewährt. Bewährt haben sie sich im Sommer im Halbschatten unter Sträuchern oder Gräsern oder Immergrünen. Wichtig ist der Schutz vor praller Sonne. Da sie Kalk schätzen, gebe ich ihnen ab und an eine Ladung einer Wasserkaraffe, in der ich Eierschalen mit Wasser bedeckte.  

Sie sind Tiefwurzler, vielleicht ist dies ein Grund ihrer Widerstandsfähigkeit, da sie noch aus der Tiefe des Bodens ihre Nährstoffe holen. Und, vielleicht werden sie auch deshalb von Jahr zu Jahr schöner und buschiger. Wer sesshaft ist, schöpft Kraft aus der Verwurzelung. Die Wurzel der Christrosen aber ist nicht nur Quelle ihrer Kraft, sondern ist auch legendär.

Die Helleborus-Pflanzen gehören zur Familie der Hahnenfußgewächse. Als korrekter Gärtner benenne ich die Pflanzen mit ihrem botanischen Namen „Schwarzer Nieswurz“. Die Gattung des „Nieswurz“ ist Helleborus niger; die nähere Bestimmung „niger“ bedeutet „schwarz“. Die Farbbestimmung „niger“ bezieht sich nicht auf die Blüte, sondern geheimnisvoller Weise auf die Wurzel. Das rief die Volksmedizin auf den Plan. Wegen ihrer Inhaltsstoffe wurde die Wurzel als Herzmittel und gegen Epilepsie verarbeitet, sogar gegen die leidvolle Erfahrung, dass sie Vergiftungen hervorruft. Die Griechen warnten schon dem Namen nach vor der Giftigkeit der Pflanze: „helein bora“. Das bedeutet „giftige Speise“. Dafür verantwortlich sind Saponine in Verbindung mit Protoanemonin. Also, Finger weg von der Wurzel. Der Verzehr würde zu Durchfall und Schwindelanfällen führen. Macht ja nichts – für die Pflanze jedenfalls nicht. Sie wächst ursprünglich nicht für uns, sondern für sich. Ihre Giftigkeit ist ihr Schutz vor Fressfeinden. Das sollten die Tulpenzwiebeln einmal berücksichtigen. Dann würden sie nicht zur Leibspeise der Wühlmäuse gehören!

Weiterhin sollte der heilende Einsatz des Nieswurz, oder der Christrose – früher! - bei Geisteskrankheit helfen, aber auch gegen Schweinepest. Schon als Zutat in Salben sollte das Verhexen einsetzen. Bei Hühnern reichte die bloße Anwesenheit in Stallnähe, um keine Eier mehr legen zu können. Sagte man! Die Menschen der Antike waren noch rigoroser: Sie überbrühten die Wurzel, legten sie in Wasser und ließen während der Belagerungen dieses Wasser von ihren Feinden trinken. Es tat seine durchschlagende Wirkung; der Feind litt an Durchfall! Und schließlich diente die Wurzel namensgerecht vermahlen zu Pulver als Niespulver, weil es eine Reizwirkung auf menschliche Schleimhäute hat.

So geht das im Gartenjahr. Während ich die Helleborus-Pflanzen durch den Sommer hinweg fast vergesse, vergessen sie nicht, dass der nächste Herbst garantiert kommt. Auch die grau-blättrige „Silver Dollar“ mit roséfarbenen Blüten hat es bei mir über den Sommer geschafft. Sie muss noch an der Zunahme der Blütenanzahl arbeiten. Und wer weiß – vielleicht gibt es im Laufe des Jahres auch noch eine rote Nachbarin „Rubra“, oder eine gefüllt blühende „Double Ellen“, oder eine „Cinnamon Snow“ mit zimtfarbenen Blüten, oder eine frühe „Early Rose“. Ach, was ist das wieder für eine Pein. Für welche Neuheit soll ich mich entscheiden?

Fingerhut
Botanisch: Digitalis purpurea
 
Besonderheit: sehr giftig in allen Pflanzenteilen, Heilpflanze, Hummelnahrung

Diese Pflanze ist ein Gewinn. Der Fingerhut sieht schick aus, und öffnet seine Traubenblüten ab Juni von unten nach oben, so dass uns dieses mehr als ein Meter hohe Glockenspiel lange an seinem Schmuck teilhaben lässt. Er bildet aus der unteren Blattrosette stetig Jungpflanzen; doch die Jungen werden immer kleiner, bis sich die Mutterpflanze verausgabt hat und unansehnlich wird.

Beim Fingerhut ist das in Ordnung. Er trägt auch anderweitig zum stetig blühenden Arterhalt bei. Die Samen der Kapseln, die sich nach der Blüte bilden, verstreut er wild im Garten zwischen dem Bambus, zwischen der Berberitze, zwischen die Stauden. Wann immer und wo immer die Bedingungen passen, sitzt schon bald ein neues Pflänzchen, breitet um sich den Blätterrock aus und beginnt, den Hals zu recken. Ich glaube, der Fingerhut hat die Darwin’sche Evolutionstheorie verstanden, nach der der Stärkere überlebt. Vielleicht sind es aber auch die mystischen Elfen, die laut Blumenmystik die Glocken als Hütchen tragen sollen. Ein reizvoller Gedanke, dass Elfen den Samen an den vermeintlich vorteilhaftesten Standorten ablegen.
Wer keine Elfen als Untermieter hat, kann aber die Aussaat auch selbst steuern. Ich schneide entweder die verblühten Stängel vor der Versamung ab oder, wenn ich nachlässig war, entferne ich die Jungpflanzen dort, wo sie sich nicht ausbreiten sollen. Wenn ich fix bin, schneide ich die Stängel nach der Blüte zurück; meist gibt es dann eine zweite Blüte an einem kürzeren Blütenstängel.

Der Boden kann trocken sein, denn der Ursprung des Fingerhuts ist die karge Landschaft. Auch der Sonnenstandort ist ihm angenehm. Wuchsfreudiger aber mag er es in der Nähe zu Stauden, die regelmäßig durchnässt werden und die ihm Halbschatten geben. Er profitiert von seiner Anpassungsfähigkeit, seine Blüten zum Licht hin auszubilden.

Wenn es denn gar nicht klappen will mit dem Licht, beugt er sich einfach wie ein Haken und holt sich die Sonne in die Glöckchen. Jedenfalls praktizierte ein Blütenstiel diese Praxis in meinem Garten.
Der Fingerhut ist zweijährig; nach der Ausbildung der Blattrosette mit den spitz-ovalen Blättern kommt es im zweiten Jahr zur Blüte. An den soliden Stielen sitzen die länglichen Blätter bis zur Spitze herum. Es ist ein stolzes Gebilde, es ragt rund einen Meter hoch in die Landschaft.

Die Blütenkapseln brechen ab Juni auf und lassen an immer neuen Stängeln bis spät in den September Glocken wachsen. Die Blüten sind das perfekte Nahrungsangebot für die Langrüssler, also die Gartenhummeln. Sie scheinen von den kunstvoll gesprenkelten inneren Trichtern magisch angezogen zu werden. Wie auch nicht? Sind doch die „Einkriechblüten“ perfekt zum Landen und Nektarsammeln angelegt. Im Englischen werden sie phantasievoll „fox gloves“ genannt, also „Fuchshandschuhe“. Böse Feen sollen den Füchsen diese „Handschuhe“ als Strafe für ihre Raubzüge durch die Hühnerställe angezogen haben. Die Sprenkel in den Blüten sind demnach die Berührungspunkte der Feen, als sie den Füchsen die „Handschuhe“ gegeben haben sollen. Ein weiterer Name kommt hier ins Spiel: „Fuchskraut“.

Und warum werden wir seit Kindesalter vor dem giftigen Fingerhut gewarnt? Welcher Teil der Pflanze ist giftig? „Digitus“, der Handschuh, oder als einer der Volksnamen „Unserer lieben Frauen Handschuh“ oder eben Fingerhut klingt nicht nach Mordlust. Und die Erwähnung, dass er Heilpflanze ist und bei Herzschwäche hilft, macht die Warnung noch weniger plausibel. Jedoch, jedoch, die Verwendung als Salatbeilage soll tunlichst vermieden werden. Alle Pflanzenteile der stolzen Pflanze sind giftig, vor allem im Stängel und in den Blättern sind die Giftstoffe vorhanden. Im Samen ist das giftige Digitonin enthalten. Die Dosis macht es, wieder einmal, dass die Inhaltsstoffe Digitalis-Glykoside bei fachgerechter Anwendung dem Menschen zum Nutzen gereichen. Die Spezialisten wissen dies und behandeln Herzleiden.
Derweil erfreue ich mich zusammen mit den Hummeln über die reichhaltige Blüte.

Ginster
Botanisch: Cytisus
 
Besonderheit: giftig in allen Pflanzenteilen, Insektennahrung, Heilpflanze

Der gelbe Ginster ist der Ursprung meiner Begierde, mein Basis-Magnet. Ein Anschauungsobjekt. Ein würdiges Pflanzenobjekt mit magnetischer Blickwirkung. Denn, der Ginster, der ist gar nicht finster! Zumal ein Besenginster früher zu Besen verarbeitet wurde und die Stuben rein machte.

Erst war es der kleine gelbe zierliche Edelginster, der unter einem ausladenden Gras hockte. Das war ihm zu finster und er ging von mir. Seinen Nachfolger versteckte ich an einer Mauer. Vielleicht war der erste auch erfroren; Frostschäden sind nicht ungewöhnlich beim Edelginster. Dann kamen die ungleichen Zwillinge: der orange-gelb Blühende „Zeelandia“ und der Weiße „White Lion“. Tiefe Wurzeln bilden sie, sind also für Trockenböden geeignet. Außerdem gelten die Sträucher als Bodenverbesser, da sie Stickstoff binden.

Sie sind winterhart, sie können sonnig bis halbschattig stehen, sie können geschnitten werden und sie werden rund einen Meter hoch. Klingt unkompliziert. Keiner schreibt oder sagt, dass sie in der blütenlosen Zeit ziemlich sparrig ihre Ruten in die Gegend strecken. Denn die Beblätterung ohne Blüten ist verhalten attraktiv, wobei die Ruten sogar mit kleinen Dornen bestückt sind. Keiner sagt, dass sie Diven sind, keiner schreibt: Hej, stell sie dir nicht direkt vors Auge, suche einen Platz, von dem aus sie leuchten können, aber weitestgehend umwachsen sind von weiterem Grün. Ich jedoch machte all das, was einem mit Ginster ärgern kann. Sie kakelten ihre blütenlosen laublosen Tentakeln im Herbst und Winter in die Luft, kippten ab und sahen mickrig aus. Besenmäßig eben! Also tat ich, was ich meist tue, wenn sich nichts tut: Ich schnitt ihnen den Schopf, allerdings vorschriftsmäßig im Juni nach der Blüte, und nur auf 40 cm zurück.

Zum Glück bin ich des Lesens kundig und nehme ab und an einen Rat an: Ich trug Handschuhe. Die abgesonderte Flüssigkeit, die beim Schneiden austritt, ist giftig und hautreizend. Außerdem enthalten die Samen und Blätter Spartein. Dieses Alkaloid ist stark giftig. Auch das giftige Cytisin, der sekundäre und namensgebende Pflanzenstoff, ist enthalten. Die Samen verursachen Magen- und Darmprobleme; erhöhte Dosen führen zum Kreislaufkollaps oder gar Herzversagen. Vorsicht also! Auch für Tiere sind diese Gifte lebensbedrohlich. Aber auch hier gilt wieder: Die Dosis macht es. Und mit entsprechender Dosis ist Ginster eine Heilpflanze, die auch heute noch in der Homöopathie bei Herzkrankheiten verwendet wird. Mit ihren Inhaltsstoffen Alkaloide, Flavonoide, Gerstoffe, Bitterstoffe, ätherische Öle, Tyramin und Mineralsalze war Ginster schon bei den Gelehrten des 1. Jahrhunderts ein Schmerzmittel.
Nach meinem Radikalschnitt nach der Blüte trieben die Ruten noch im selben Jahr ihre langen Tentakeln ins gefühlt Unendliche. Im darauffolgenden Jahr setzten sie im Mai bis Juni über und über Blüten an, die den Blattachseln entwuchsen. „Endständige Trauben“ heißen sie korrekt. Von da an liebte ich sie wieder. Des Gärtners Tugend ist eben Geduld.

Geduldig warte ich neuerdings das Frühjahr ab. Kaskadenweise flutet dann der Weiße mit seinen Blüten in Richtung grünes Gras. Springbrunnenfrisch schweben dann die schmetterlingsförmigen Blüten in Rosa-Orange dem Rasen entgegen. Die Form einer einzelnen Blüte könnte die Vorlage eines Schuhs vom Elfenaschenputtel gewesen sein. Der Strauch bietet sie wie zum Reinschlüpfen an.

Alle Nektarschlürfenden lieben die Sträucher. Alle kommen und umschwirren die Blüten - die Bienen, die Schwebfliegen, die Hummeln, der gelbe und der weiße Schmetterling. Und ich auch. Ich rücke abends den Stuhl in die unmittelbare Nähe des Ginsters und gebe meinem Geruchssinn Nahrung: Honigduft mit leichtem zitronig-ähnlichem Lilienhauch lässt mich selig vor mich hin schmunzeln.

Im Sommer bilden die Blüten die kleinen Schoten aus, die ihren Namen als Hülsenfrüchtler begründen. Bergen sie in sich das Geheimnis ihrer Duftproduktion bis zum nächsten Frühjahr? Denkste! Sie wollen alles von sich werfen, wollen verkünden, dass sie im nächsten Jahr wieder Spalier stehen und lassen ihre Früchtchen platzen. Sie sind typische Beispiele für den Irrtum, dass sich Pflanzen nicht bewegen: Sie brauchen keine Schuhe dazu, sie haben ja ihre Lakaien. Sie schleudern ihre Früchtchen in die Gegend und setzen auf Zufallsvermehrung. Na dann, sei´s drum!


Herbstzeitlose „Waterlily“
Botanisch: Colchicum autumnale
 (beschrieben ist die hybride Colchicum autumnale Waterlily)
Besonderheit: Stark giftig. Medizinische Verwendung von Samen und Knolle

Dem Stammbaum nach gehört sie zur Lilie. Schauen wir auf die Blüten. Der Blüte nach hat sie ein verflixtes Familienverhältnis: Sie ist eine „Sohn-vor-dem-Vater“-Pflanze. Die blätterlosen Kelche erscheinen ab September, am Beginn des Herbstes. Also erscheinen die Blüten vor dem Blatt? Das könnten wir ja noch hinnehmen. Die Kornelkirsche, die Winterblüte, die Schneeforsythie benehmen sich auch andersherum. Wenn da nicht die Pfiffigkeit der extrem giftigen Pflanze wäre: Die Blätter selbst hat die Herbstzeitlose bereits im Frühjahr ausgetrieben, aber bis zum Juli abgebaut! Kein Grün soll von der Schönheit der Blüte ablenken.

Die Zwiebelknolle wird im Juli bis August rund 15-20 cm tief in die Erde gesetzt. Bei den einfachen Sorten öffnen sich die sechs Blätter an der Blütenröhre von September bis Oktober. Sie sehen dem Krokus im Blattaufbau ähnlich. Daher werden sie oft mit Krokussen verglichen, sind es aber nicht. Deren kleine braune Zwiebeln habe ich bei meinen Herbstwühlereien immer mal wieder in der Hand, weil sie oberflächlich liegen. Die Herbstzeitlosen ankern viel tiefer. Mit Bedacht. Nach der Blüte ziehen sie sich zurück. Im Frühjahr kommt ihre Zeit,  - ohne, dass ich das bewusst wahrnehme. Verwechselt habe ich sie dann schon mal mit Hyazinthen: Das sind die tauben Hyazinthen, dachte ich. Denn eine Blüte entwuchs den zigarrenähnlich zusammengerollten Blättern nicht. Konnte sie auch nicht. Es war ja eine Herbstzeitlose. Die Herbstzeitlose schiebt ihre Blätter aus einer Rosette stiellos und knospenlos im Frühjahr heraus. ABER, nicht ohne eine Fruchtkapsel produziert zu haben! Dieses Thema geht regelmäßig an mir vorbei, weil diese dreikantige Fruchtkapsel zwar rund 10 cm hoch wird, aber unter einem Blätter- und Blütendach von Frühjahrsblühern aufplatzt. Und dann isse auch schon wech! Was gut ist, denn neben der Knolle haben die Samen den höchsten Colchicin-Gehalt, also die höchste Giftstoffkonzentration.

Die Kapsel hat ihre Schuldigkeit getan und für Nachkommen gesorgt. Die Pflanze vergeht im Juli. Den Sommer über nutzen die neuen Zwiebelknollen, um Seitensprosse zu bilden und ihre Blüten für den Herbst zu hübschen. Diese wird bestäubt, zieht sich wieder in den Boden zurück und bildet eine neue Knolle, während die alte abstirbt.

Die Blütenblätter strecken sich dem Licht entgegen. Ich habe mir vom Fachhandel die „Seerosen-Herbstzeitlose“, die „Waterlily“, in den Garten geholt. Deren Blüten sind doppelt gefüllt und ähneln in der Tat einer Seerose. Ist eine Seerose ebenfalls todbringend? Für mich wahrscheinlich. Denn ich werde panisch, wenn ich im See schwimme und mir das Gewusel von Seerosenwurzeln um die Beine schlingert. Auf der Fachmann-Verpackung der erworbenen Herbstzeitlose lese ich jedoch keinen Hinweis, dass ich mich bei der Pflanzung der Zwiebel in der Toteszone befinde. Die Griechen wandelten das „zeitlos“ in „Die an einem Tag Tötende“. Alles ist Interpretationssache.

Das Zwiebelsetzen hat sich jedenfalls gelohnt, denn ihre Blüten sind besonders üppig. Ihre Partner wie Hohe Fetthenne (Link zu Herbstseite_Fetthenne) und die Ajania pacifica, also die Silberrand-Chrysanthemen (Link zu Herbstgarten) bescherten ihnen ein Sonnendach und sorgten für den Erhalt der Feuchtigkeit.

Herbstzeitlose wollen sonnig bis halbschattig stehen. Obwohl der Boden sandig sein kann, wollen sie ihn am liebsten humusreich. Dann stören sie sich nicht daran, dass alles um sie herum in emsige Wintervorbereitung wuselt. Sie sind dazu da, Herbstruhe zu schenken. Und das möglichst zeitlos schön. Also verharre ich und schaue in die zartvioletten doppelt gefüllten Blütenkelche. Ich schaue nur, ich berühre nicht. Auch die Blüten haben Giftstoffe.

Bei den ungefüllten Sorten fallen die Blütenstempel eher auf. Safran-gelb könnten wir sie nennen; jedenfalls nannten die Araber sie „zafraran“, was gelb bedeutet. Diese Bezeichnung setzte sich durch deren Eroberungszüge in Europa durch. Der Safran-Krokus (Crocus sativus) blüht ebenfalls im Herbst. Allerdings tragen nur sie die Narben, die als begehrte leuchtend korallenrote Gewürzfäden gezupft werden und nur rund 3 cm lange drei Schenkel bilden. Der Safran-Krokus ist wintergrün, die Herbstzeitlose nicht.

Herbstzeitlose blühen zartrosa, auch weiß. Bis es dämmrig wird, dann gleitet der Farbton ins mystisch bläuliche. Dann gleite auch ich ab in die Dämmerung, setze mich auf die Bank am Haus und hoffe, dass die Fledermäuse, die ich mannigfach vorbeisausen sehe, einen Schluck aus dem zeitlosen Kelch nehmen. Stärkung soll er ihnen bringen, denn sie sollen gefräßige Schädlinge von den nützlichen Pflanzen im Vorbeiflug aufsammeln. Sie sind die eigentliche Quelle meiner Pflanzung: Die Zwiebeln hatte ich für die Fledermäuse gelegt. Herbstzeitlose sollen den Fledermäusen in der rauer werdenden Herbstlandschaft Nahrungslieferung sein. Die Giftigkeit der Pflanzen scheint ihnen bisher nicht geschadet zu haben. Sie bestäuben sie auf ihrem Nachtflug. Wie die Fledermäuse, sind auch die Herbstzeitlosen in der freien Natur besonders geschützt.

Außer mit Hyazinthen habe ich sie bisher nicht verwechselt. Bärlauch soll immer mal mit der Herbstzeitlosen verwechselt werden und damit tödlich sein. Wobei es im Freien kaum noch natürlich wachsende Herbstzeitlose gibt. So wie die Fledermäuse geschützt sind, stehen sie heutzutage auch unter Naturschutz. Es gibt eben immer ein Pro, öfter auch ein Contra.

Gescholten wird die Herbstzeitlose auf Wiesen, auf denen Tierfutter angebaut werden. Fressen die Kühe rund anderthalb Kilo Blätter, sterben sie. Wurden sie vorher abgemolken, wird die Milch zum Transportmittel für die Giftstoffe und gelangt zu uns. Darum hat man die Herbstzeitlosen gezielt aus den Wiesen entfernt und die natürlichen Bestände stark reduziert. Wir Menschen müssen uns noch nicht mal auf die Wiese knien, um das Blattgrün zu knabbern. Der Giftstoff ist auch und vor allem in der Blüte vorhanden. Hautkontakt soll also vermieden werden. Nehmen wir fünf Gramm der Samen – woher auch immer die dann kommen – zu uns, wirken sie tödlich. Und dieser Tod wäre dann nicht angenehm: Atemlähmung, Koliken, Durchfall, Erbrechen, Kreislaufkollaps. So, nun ist gut. Lektion gelernt. Wir halten uns alle von jeglichem Konsum fern, verschmausen nur mit den Augen und tragen bei der Arbeit – wie immer – Handschuhe.

Was genau ist denn nun so giftig an der Herbstzeitlosen? Warum ist die Herbstzeitlose eine der giftigsten einheimischen Pflanzen? Colchizin ist ein Alkaloid. In allen Teilen der Pflanze finden wir es. Weitere rund 20 Alkaloide sind in der Pflanze enthalten. Wenn wir aber damit umgehen können, hilft es uns. In meiner Verwandtschaft verordnete der Arzt das pflanzliche Arzneimittel, das Colchizin enthielt und konnte damit einen Gichtanfall stoppen. Da sind wir wieder bei der Verhältnismäßigkeit und dem Satz von Paracelsus, das kein Ding ohne Gift ist, nur die Dosis es macht. Siehe auch die Wirksamkeit des Fingerhutes. Ja, der Imposante ist auch einer meiner Gartenbewohner. Langsam muss ich gucken, dass ich nicht zur gescholtenen Giftmischerin werde.

Küchenschelle
Botanisch: Pulsatilla vulgaris
Besonderheit: giftig, unter Schutz stehend, frühe Insektennahrung

Sie ist verwandt mit den Anemonen. Die blaue Art der Küchenschelle in meinem Garten nennt sich „Blaue Glocke“. Schelle wie Glocke, oder auch Kuhglocke oder Silberglocke, es schellt die Glocke den Frühling herbei. Der Name kommt vom Kühlein, also vom „Kühchen“. Daher ist “Küche“ als Wortteil falsch, „Kuh“ wie Kuhschelle aber sehr richtig, so wie es lateinisch „pulsatille“ auch heißt. Wenn die Blüten gerade am Aufbrechen sind, kann man sie sich als Kuhglöckchen vorstellen. Ich stelle mir zusätzlich vor, dass ein Alphirt über die Alm latscht, das Blümchen sieht und denkt: „Huch, schaut aus wie die Glocke meiner Liesl.“ Er erzählt es im Tal und schon war der Name „Kuhglocke“ gefunden. Warum aber Küchenschelle? Erzählte der Küchenjunge die Geschichte dem Superkoch und erhielt dafür eine Schelle? Quatsch!

Sie soll den Frühling einläuten. Den Insekten soll sie verkünden, dass eine weitere begehrte Nahrungsquelle eröffnet ist. Anfang April ist die Insektenwelt schon erwacht. Die Hummeln haben die Welt längst erkundet, die Wildbienen wissen bereits, wo die Blütenfülle abzusaugen ist. Und doch sind die Kuhschellen ein Nahrungsmagnet mit Nektar und Pollen, der intensiv genutzt wird.

Das zarte Laub, das im gefiederten Grün rosettenförmig die Stängel umlegt, könnte auch vom Dill sein. Ist es aber nicht, und zum Verzehr auf keinen Fall geeignet! Mit feinsten Härchen wie mit silbrigem Flaum sind die Blätter ausgestattet. Sie sind Almblumen, also sind warm eingepackt.

Sie blühen bei mir glockenförmig in Lilablau und Weiß; es gibt sie aber auch rosablühend oder rot. Meine Weißblühende erwachte später als die Blaue. Sechs Blütenblätter sind es, die von außen dicht behaart sind. Das silbrig warme Haarkleid schützt vor Austrocknung. Wahrscheinlich hat sich der kleine Frühlingsbote noch nicht an die sonnigen Seiten der heutigen Winter- und Frühlingswelt gewöhnt. Von dort, wo die Pflanze herkommt, ist es alpin, windig, rau. Im Innern leuchtet der gelbe Nektarkreis wie eine Laterne zu den Insekten hin.

Was den Bienen und Insekten erlaubt ist, ist uns außerhalb des Gartens verboten: Der Mensch darf sie nicht ausbeuten. Sie ist geschützt! Sie steht auf der Roten Liste in Brandenburg, ist in Berlin gänzlich ausgestorben und im Süden Deutschlands als stark gefährdet eingestuft. Geliefert hat sie mir einer meiner guten Baumschullieferanten. Gepflanzt habe ich sie, weil ich zum Artenerhalt im Pflanzenreich und im Insektenreich beitragen wollte.
Sie gilt als „sehr giftig“. Schützen sollte ich mich also auch selbst, wenn ich ihr zu nahe kommen will: Schon die Berührung kann Hautreizungen verursachen. Das Photoanemonin in Blatt und Stiel reizt Schleimhäute und Haut. Allergiker sollen beim Berühren vorsichtig sein, da es zu Hautirritationen kommen kann. Dennoch, die Blätter enthalten Inhaltsstoffe, die man in der Antike, zu Zeiten von Hippokrates, zur Heilung von Kopfschmerzen und Angstzuständen einsetzte. Es sind die Gerbstoffe, Saponine, Harze. Heute noch wird ihre Wirkung in der Homöopathie bei Erkältungen und Verdauungsproblemen geschätzt.

Nicht nur anerkennend betrachtete man die Kuhschelle. Früher hat man dem kleinen Frühlingsblüher vernichtende Kräfte zugeschrieben und ihr entsprechende Namen zur Verdeutlichung gegeben: Teufelsbart wurde sie wegen ihrer silbrigen Samenstände genannt. Auch sagte man, Gänseküken würden im Ei sterben, würde man das Blümchen ins Haus tragen; oder aber Hühner würden keine Eier mehr legen, nach dem Motto „Die oder wir!“. Vielleicht aber hat schon damals ein pfiffiger Typ diese Mär erfunden, um sie in der Wildnis zu belassen. Der so besorgte kluge Typ hätte sich damit dankenswerterweise um den Erhalt des Bestandes eingesetzt.

Zu finden ist sie dort, wo der Untergrund sehr kalkhaltig ist. Karg, trocken, felsig, sonnig – das mag das Blümelein sehr. Die Pflanze wird 20-25 cm hoch, so steht es auf dem Pflanzenetikett. Sie kann kalkhaltig stehen. Ich soll sie auch vor wuchernden Nachbarpflanzen schützen. Da muss ich noch dran arbeiten! Aber zur vollen Sonne habe ich ihr schon verholfen.  

Ich wünsche ihre Ausdehnung, denn als Tuff mit mehreren Pflanzen wirkt sie besonders apart. Will man die Selbstaussaat und das Kreuzen untereinander vermeiden, soll man vor der Samenreife schneiden. Das fällt schwer, denn die filigranen Federsterne schmücken noch nach der Blüte. Man nennt sie fachlich „schopfartig“ und in der Volkssprache „Hexenbesen“. Pfiffig, denke ich mal, ist dieses Pflänzchen, denn wie auch der Löwenzahn hat es sich je einen Samen in je ein Samenhärchen gesetzt und lässt den Wind für sich arbeiten. Genützt hat es dem Hahnenfußgewächs nur bedingt, sonst wäre es nicht am Aussterben. Aber – die Bienen sind sogar noch mit dem „Hexenbesen“ zufrieden.


Maiglöckchen
Botanisch: Convallaria majalis
Besonderheit: Giftig, Bienenweide, Heilpflanze

Schon Mitte April haben sie ihr Erscheinen mit braunen Zipfelmützen angekündigt. Ende April dann schieben die meisten der Umhüllungen ihre Stängelchen mit den weißen Glöckchen raus. Wir sind im Vollfrühling, im Mai! „Majalis“ ist der Mai. Mit diesem beschreibenden namentlichen Zusatz wird diese Blume zur Maienblume. Im Englischen heißt die Blume „Lilly of the Valley“, die Lilie aus dem Tal. Bei mir steht sie im Sand.

Im April sind sie schon zu sehen, die braunroten Spitzen der Maiglöckchen. Wie Spargel, bei dem man vergessen hat, die Erde zu häufeln, sprießen die Gebilde als Erdmännchen durch den Boden. Sie pirschen sich heran und schicken auf einem Geflecht von sich knapp unter der Erde ausbreitenden weißen dünnen Spargelspitzen die Bräunlinge ins Licht. „Blühkeime“ heißen diese. Braun ummäntelt sind sie, dass sie ja nicht zu zeitig entdeckt werden. Und? Was lese ich gerade nach, um mir den Anschein von Fachwissen zu geben? Welcher Gattung und welcher Familie gehören sie an? Und siehe - sie gehören zu den Spargelgewächsen! Allerdings – als Spargelgericht zum Kotelett oder zu Butterkartoffeln sind sie nicht zu genießen!

Sie signalisieren an ihr Wurzelnetzwerk, wann mehr Energie nachgeschoben werden soll. Dann, wenn die Sonne wärmt, hüllen sie das Fußwerk der beiden elliptischen grünen Blätter noch ein, schubsen aber schon mäßig sachte die weißen Kullern am Stängelstück in die Empore.

Sie sind frech, lebendig, überlebenskünstlercharakteristisch. Ich fand die Stelle neben der Garage begrünenswert, ließ sie wuchern und freute mich, dass sie so teamfähig und gesellschaftsfähig waren und sind. Ich pflanzte Strauch und Rose, Bodendecker und Blühpflanzen dazwischen. Sie machten Platz, umlegten mit ihren breitblättrigen aufrechten Segeln die Großen, nahmen schattenspendend die Kleinen in ihre Mitte und überdeckten den Boden zum Speichern der Feuchtigkeit in der großen Hitze freigiebig mit Blatt. Win-win-Situation unter den Pflanzen.

An der Wand lässt es sich gut munkeln. Da breiten sie sich schon seit Jahrzehnten aus, diese wuchernden Pflanzen. Im Laufe des Jahres wird es hier schattig, das lieben sie. Mein Fehler beim Umsetzen von Pflanzen war, die Maiglöckchen-Erde um die Pflanzen, die ich von dort hinaussetzen wollte, nicht achtsam genug entfernt zu haben. Nun wachsen aus allen Beeten kleine braun-grüne Spitzen mit weißen Kullern. Sie kichern sich eins, denn sie wiegten mich in Ahnungslosigkeit, diese zweijährig Blühenden. Erst im 2. Jahr bekam ich mit, wie fahrlässig ich meine Verpflanzungen vorgenommen hatte. Nun muss ich immer mal wieder brutal sein und vernichte die Ungewollten. Warum das denn? Die sind doch so niedlich. Ach, manno!

Jawohl! DENN - Maiglöckchen sind die Pilze unter den Grünpflanzen, sie wuchern, sie bilden Netze, sie sind mit nur einem Rhizom, der Pfahlwurzel, überlebensfähig und haben kurze Zeit später das nächste System von Wurzeln gebildet.
Sehr effektiv aber sind sie, wo sie sich ausbreiten dürfen: Ihre breiten grünen Blätter bilden vom Sommer bis zum Herbst ein Blätterdach, das die Feuchtigkeit speichert und das Unkraut nicht wachsen lässt. Sie sind die Herrscher der unkrautfreien Zone. Die Schneeforsythie, die Rosen, die Pfingstrosen stören sich nicht am Wurzelgeflecht. Sie genießen einfach die Umhüllung mit Blattmasse. Schnecken? Ich glaube nicht, dass es sie unter der grünen Decke gibt. Bewusst habe ich sie nicht darunter lümmeln gesehen. Was ungewöhnlich ist, denn die Viecher lieben es ja permanent warm und feucht.

Papperlapap den Fachleuten, von wegen kein Kalk, von wegen schön feucht und schön humos soll der Standort sein! - Kriegen sie bei mir alles nicht. Die wuchern einfach und bedecken sich dann mit der Kraft der grünen Blätter. Auch Samen werden von den Pflanzen zur Selbstverbreitung gebildet. Die roten Früchte sind im Herbst reif, und giftig! Obacht ist bei Kindern geboten, denn die roten Früchte schmecken auch noch süß!

Ihren großen Auftritt mit dem Duft und dem Dasein als Glöckchen haben sie im Mai. Logisch, sie heißen ja auch so: Mai-Glöckchen. Nimm ein paar Stielchen ab, umhülle sie mit zwei Blättern, stelle sie in die Vase und schwelge im Duftglück. Diese Vasenblümchen sind nur 15-20 cm hoch, doch ein paar Stängel dieser Blumen genügen, und das Zimmer duftet nach Frühling. Mit bis zu 14 Glöckchen am Stiel gelingt der Blume diese Duftwolke. ABER – auch ins Vasenwasser gehen die Giftstoffe über!

Mein erstes Parfüm, das ich mir auftupfte, war ein Maiglöckchen-Parfüm. Wahrscheinlich ein künstlich erzeugter Duft. In einem winzigen, nur 2-3 cm großen viereckigen Glasfläschchen hatte ich es mir vom Taschengeld gekauft. Was beweist mir das? Das Duftgedächtnis bleibt bis ins hohe Alter erhalten. Das soziale Blumenwissen sagt aber noch mehr über die Maiglöckchen: Grün ist die Hoffnung, die bieten die Maiglöckchen von Frühjahr bis Herbst mit viel sattem Grün, also viel Hoffnung. Weiß ist die Farbe der Reinheit, der Unschuld. Viele weiße Glöckchen bürgen für viel Unschuld.

Die Unschuld ist hin, sollte man sich am Maiglöckchen in Wald und Wiese vergreifen: Sie stehen unter Naturschutz. Daher dürfen sie nicht gepflückt oder ausgegraben werden. Aber ganz wehrlos sind sie dann auch wieder nicht. Sollen die mal schön aufpassen, die in der Schule nicht aufgepasst haben und das Grün für Bärlauch halten. Dann geht der geplante Wildkräuteressensgang schief. Jedoch, der Knoblauchduft des Bärlauchs unterscheidet sich vom Duft des Maiglöckchens enorm. Ich bin etwas verwundert über die dokumentierten, leider sogar auch tödlichen Verwechslungsfälle: Ich habe im Wald Bärlauch geerntet. Felder von wildem Bärlauch durchzogen den Laubwald. Im März! Im April war die Pracht dahin. Schlaffe gelbliche Blätter bedeckten den Waldboden. Da frag ich mich doch, welcher Wanderer zwischen den Welten im Mai Bärlauch ernten geht? Und dann auch noch mit Glöckchen dran! Noch einmal zum Mitschreiben: Wenn es nicht nach Knoblauch riecht, dann sollte es nicht in die Suppe. Dann ist es kein Bärlauch, vielleicht aber Gift.

Giftpflanze! Stark giftige Pflanze sogar! 2014 schaffte es das Maiglöckchen, Giftpflanze des Jahres zu werden, also zur Königin unter den Giftigen gekürt zu werden. Alle Pflanzenteile tragen Glykoside in sich und sind entsprechend giftig, vor allem die Früchte, aber auch die Blüten. Also, Ihr Kinderlein, kommt nicht zu mir, denn hier gibt es ein Beet voller Gift!

aren auch wir noch tougher. Da war das Maiglöckchenblatt Bestandteil des Schnupftabaks „Schneeberger“. UND – die heilige Hildegard von Bingen pries sie noch als Mittel gegen Hautkrankheit und Epilepsie. Auch die geschwächten Herzen wurden damit unterstützt. Das gilt auch heute noch. Jedoch nur pharmazeutisch, und wird niemals zur Eigennutzung oder Nachahmung empfohlen; die Inhaltsstoffe werden nur industriell genutzt. Was vom Fingerhut bekannt ist, kann auch über das Maiglöckchen gesagt sein: Der Inhaltsstoff der Glykoside ist hilfreich beim Einsatz von Herzleiden und wird in der Pharmaindustrie zu Herzpräparaten verarbeitet.

Was machen wir daraus? Wir nehmen das Maiglöckchen als Frühlingsboten, wie schon die alten Germanen es taten. Sie widmeten die Pflanze ihrem Lichtgott Balder als „Baldersblume“. Magische Fähigkeiten werden ihr unterstellt: Wenn in mondhellen Nächten eine mit Maiglöckchen geschmückte Frau daherkommt, dann ist dies ein gutes Vorzeichen. Dann muss diese Frau auch nicht unbedingt demütig sein. Nur in der Christenheit gilt das Maiglöckchen als Demutsblume und Symbolblume der Maria für ihre Keuschheit und Bescheidenheit.

So schließt sich der Kreis des zierlichen und wunderschönen, doch höchst gefährlichen Blümchens hin zu wohldosierter Nützlichkeit. Nutzen wir die Schönheit und erfreuen uns.

Pfaffenhütchen – Spindelstrauch
Botanisch: Euonymus japonica
Besonderheit: giftig, Vogelnahrung

Dieses Jahr scheint das Jahr der Wahrheit zu sein. Schöner als je zeigt er sich. Mein Radikalschnitt scheint sich gelohnt zu haben. Ich folgte dem Hinweis, dass er ungestraft verschnitten werden kann. Scheint zu stimmen. Übervoll sitzen die Blütenansätze an den Trieben. Später dann folgen die Trugdolden. Die nektarreichen Blüten werden gern von Bienen und anderen Insekten besucht, auch von Ameisen.

Luftig leicht wiegt er seine ausladenden Peitschentriebe. Werden die letzten Früchte schrumpelig unscheinbar, wirft er im Herbst auch peu á peu seine elliptisch elegant geformten Blätter ab. Im Frühjahr treibt das frische Grün durch.
Das, was ursprünglich interessant an diesem Strauch war, ist für mich nebensächlich: Das Holz! Es ist zäh. Die Instrumentenbauer schätzten es, weil es feinfaserig ist. Auch Zahnstocher wurden daraus gefertigt. Und da frag ich mich: Wie giftig ist so ein Zahnstocher? Hat die „Apothekerin“ von Siegrid Noll einen Zahnstocher aus diesem Holz ihrem Vater verabreicht? Kurze Zeit später war er tot! Im Ahnenpass des Pfaffenhütchens jedenfalls steht: Er ist stark giftig! Alle Teile! 2006 war der Strauch Giftpflanze des Jahres. Dennoch, die Glykoside und Alkaloide wurden früher in der Volksmedizin gegen Herzschwäche und Parasiten eingesetzt. Heute kommen die wirksamen Heilstoffe noch in der Homöopathie in entsprechender Dosis zum Einsatz.

Auch für Spindeln wurde das Holz verarbeitet. Hat sich Dornröschen daran gestochen? Na, egal, ich werde keine Spindel draus drehen. Für mich reicht ein Blick an seine Rinde, die graue elegante.
Seine Vergangenheit kann der Spindelstrauch nicht einfach abstreifen. Er lebte an den Waldrändern, dort, wo Areal zum Ausbreiten ist. Wenn ich mich an dem leichten Wiegen der beweglichen Äste labe, rufe ich mir das Wissen über seinen Charakter ab: Seine Wuchsfähigkeit kann ihn 2 bis 6 Meter hochtreiben. Sein Ausbreitungsdrang kann ihn 1,5 bis 4 Meter breit werden lassen. Na, dann Prost! Dann kann er sich mit der Fichte zum Abendplausch verabreden.

Vielleicht kommt zum Plauschen das Rotkehlchen hinzu, denn die Früchte sind für ihn Schlemmernahrung. Der Strauch heißt auch im Volksmund „Rotkehlchenbrot“. Als Augenschmaus sind sie für uns Menschen anziehend, weil außergewöhnlich. Angeblich ähneln sie der Bischofskopfbedeckung, ein Birett, was im Volksmund zum „Pfaffenhütchen“ wurde.

Muss ich nun auch noch dem Rotkehlchen zeigen, wer hier in MEINEM Garten den Hut auf hat?!

Schneeglöckchen
Botanisch: Galanthus nivalis
Besonderheit: frühe Insektenweide, giftig, vor allem die Zwiebel, geschützt, auf Roter Liste gefährdeter Arten stehend

Ich weiß nicht, wie meine Oma es schaffte, ihre Ansammlungen von Glöckchen zu erhalten. In meinem Garten sind die kleinen Zwiebeln stets durch Überpflanzung oder Umpflanzung gefährdet. Sie sind ja so klein; nur rund 1 cm messen sie. Da helfen nur Markierungen, die ich neuerdings setze. Neue Zwiebeln sollten im Herbst frisch sein und wollen sofort in den Boden. Die Zwiebeln trocknen sehr schnell aus und sind dann als Frühblüher für uns verloren.

Sie sollten möglichst unversehrt in das neue Jahr kommen. Nach den Winterblühern sind sie die ersten Nahrungspflanzen für Insekten. Wissen die Insekten, dass sie giftig ist, diese süße Glocke? Von der Zwiebel über das Blatt bis zur Blüte läutet das Schneeglöckchen seine Warnung vor der eigenen Giftigkeit in die kalte Luft. Es wird leicht überhört, denn sie sind ja nur rund 10 cm hoch. Außerdem wollen wir sie überhören, denn im Februar – der Hauptblütezeit – lechzen wir nach Blüten. Vor allem die Zwiebeln sind es, die die Amaryllidaceen-Alkaloide bergen. Wahrscheinlich müssen die Frühblüher sich besonders schützen. Einige bekannte Frühblüher, wie Narzisse, Maiglöckchen, Märzbecher sind ebenfalls mit Obacht zu „genießen“, für uns, den Insekten ist dies schnuppe.

Der 2. Februar ist traditionell Lichtmess-Tag. Da den weißen Glöckchen Reinheit unterstellt wird, wurden sie am kirchlichen Feiertag auf den Altar gestreut und Lichtmess-Glöckchen genannt. Heute dürfen die Schneeglöckchen in freier Natur nicht mehr gepflückt werden. Sie stehen auf der Roten Liste der schützenswerten Pflanzen. Und das, obwohl sie sich leicht durch Vervielfachung der Zwiebeln vermehren und auch Ameisen als Dienstleister für den Transport ihrer Samen nutzen können. Diese Vermehrungsart lässt neue Sorten entstehen. Die Ameisen belohnen sich selbst für diesen Vervielfältigungsdienst, indem sie das Samenanhängsel verfüttern oder fressen. Es ist fetthaltig und stärkehaltig. Nach der Ausscheidung wächst entfernt von der Mutterzwiebel eine junge Schneeglöckchenpflanze heran.

Sind die einzelnen Lanzen der Blüte einmal aus der Zwiebel geschoben, haben sie außer den Giftstoff nichts, um sich vor kalten Winden zu schützen. Da in unseren Breiten Schnee nur noch selten herabrieselt, sind die Pflanzen für eine leichte Abdeckung dankbar. Wobei sie auch die Gabe des einseitigen Seitenwachstums für ihren Schutz nutzen. Wird es für den austreibenden Stiel mit Blüte zu kalt, wächst er nur an einer Seite und dehnt sich dadurch wie ein Finger mit verkürzter Sehne herab. Der Stiel neigt sich so näher an die schützende Erdschicht. Bei nachlassender Kälte lockert der Stiel die Krümmung und wächst nach, so dass der gesamte Stiel wieder gerade wird und das Glöckchen standhaft steht und mit zartem Duft die Insekten anlocken kann.

In meinem Garten wachsen die „ganz normalen“ Schneeglöckchen. Meine Glöckchensammlung ist überschaubar; es sind keine Raritäten darunter, keine gefüllten Blüten, keine gelben Fruchtknoten, kein gestreiftes Blütenblatt am Kelch. Wer sich allerdings in diese frühe Blüte verliebt hat, könnte zwischen rund 20 Arten wählen.

Ich werde sie – wie die meisten meiner blühenden Pflanzen – nicht in die Vase stellen. Schneeglöckchen sind als Vasenblumen nicht geeignet, vielleicht noch als Töpfe in Pflanzgefäße gesetzt. Sie lieben die ersten Sonnenstrahlen und noch mehr das noch lichte Geäst unter Sträuchern. Auch eine Düngung nach der Blüte mit Kompost schenke ich ihnen.



Stechpalme
Botanisch: Ilex meserveae
Besonderheit: freiwachsend unter Naturschutz, giftig in Blatt und Früchten, blühender Insektenmagnet, Vogelquartier

Dafür, dass sie sonnig und trocken steht, ist die Stechpalme tapfer. Sie wird der Symbolik der Hoffnung und Liebe gerecht, denn sie ist immergrün und bildet blutrote Beeren. Ihre „Palme“ im Namen wird in Ermangelung echter Palmzweige in Nordeuropa für Palmsonntagsumzüge, also am Sonntag vor Ostern, als immergrüner Zweig gern im Umzugsschmuck verwendet. Ab und an wird jemand nicht beachtet haben, dass der Zweig eben kein Palmzweig war, und trug einen Piekser durch das Zackenblatt davon. Daher auch der Volksname „Stechdorn“. Wobei Ostara, die Frühlingsgöttin, schelmzwinkernd der Prozedur zugeschaut haben mag, denn die Palmweihe war ursprünglich ein heidnisches Fest. Ach was soll´s, wird sie meinen, schließlich verwenden die Menschen Zweige des immergrünen Strauches vielerorts auch zu Weihnachten in den Dekorationen.

Wir alle in Europa feiern die Stechpalme im Jahr 2021 als Baum des Jahres, da sich ihre Bestände wieder erholt haben.

Meine Ilex ist eine amerikanische Stechpalme (Ilex meserveae), denn sie bildet ohne männlichen Nachbarn, der die Befruchtung regelt, rote Beeren. Normalerweise sind die einheimischen Gehölze zweihäusig, so dass eine Pflanze weibliche Blüten hat und die Früchte ausbildet. Die männliche Nachbarpflanze liefert dann die Pollen, die zur Befruchtung notwendig sind. Meine ist eine All-in-one, alles in einer. Ich muss sie also noch pfleglicher behandeln.

In Amerika heißt sie „holly“ und hat sogar einen Wald bekommen, der dann bei Los Angeles, also bei „den Engeln“, „Holly-Wood“ benannt wurde. Nicht ganz uneigennützig geschah dies, denn die rotbehangenen Zweige konnten gut als Weihnachtsschmuck dienen.

Im Mai sehe ich die ersten Blütenansätze. Sie sitzen in Büscheln an den Triebspitzen der Vorjahrestriebe. Schon im Winter werden sie angelegt. Im Mai treibt das Grün mit den Blüten aus. Das unschuldige weiche Grün des frischen Austriebs ändert sich mit fortgeschrittenem Alter: Dann tragen die Blätter Zähne. „Dornzähne“ nennt man dieses „dornige Laub“, weil der Blattrand gezackt ist und jede Zacke einen spitzen Zahn trägt. Darauf deutet der lateinische Zusatz „aqui-folium“ hin: „acus“ bedeutet „Nadel“ und „folium“ bedeutet „Blatt“. Altersgerecht also gehen die Blätter in Abwehrposition. Sie schützen alles, was in ihre Nähe kommt. Warum? Weil sie Stechpalme heißen.

Verteufelt wurde die Stechpalme wegen der giftigen Blätter und Früchte. Jedoch wird die Einschätzung dahingehend durch Fachleute relativiert, dass der Gehalt an Giftstoffen mäßig ist. Der Baumschulenexperte Ingo Stührenberg sagt: „…Sie enthalten den gleichen geringen Anteil an Bitterstoffen wir Zartbitterschokolade. Man muss also sehr viele dieser wenig schmackhaften Beeren verzehren, bis es gesundheitsschädlich wird.“

Fachgerecht werden den Blättern die Inhaltsstoffe Ilexin, Theobromin, Coffeein zugeschrieben. Außerdem wirksam sind Bitterstoffe, Gerbstoffe, Flavonoide, Mineralstoffe, Saponine und auch Vanillin. So setzten die Kräuterkundigen schon in der Vergangenheit Stechpalmenblätter für Erkältungstees ein. Bereits bei Plinius im 1. Jahrhundert nach Christus wurden sie zur Linderung bei Gelenkbeschwerden genutzt. Auch als Stärkung für das Immunsystem und bei Husten kann ein Tee wirken.

Die Blüten sind sehr klein, weißlich und duften leicht. Dann ist sie ein Insektenmagnet. Ab Herbst dann, und den ganzen Winter durch wird sie allem gerecht, was Schönheit und Standhaftigkeit verlangt. Sie hat tiefgrüne, glänzende Blätter. Die trägt sie durch den Winter. Sollte es doch einmal schneien, halten ihre kräftigen Zweige den Schnee auf Ast und Blatt. Die roten erbsengroßen Früchte mit den inne liegenden Samen leuchten wie kleine Ampellichter und locken als Winterfutter. Einmal durchgefroren, sind sie für Amsel und Rotkehlchen verdaubar. Obwohl sie als „gering giftig“ eingestuft werden, nehmen die Vögel keinen Schaden.

Da die Stechpalme einen Schnitt gut verträgt, arbeite ich im August an der kompakten Form des Ilex. Der Pflegeschnitt sollte jährlich erfolgen. Das hält sie auch in der Größe moderat, die bis auf sechs Meter anwachsen kann. Auch im Umfang kann sie zulegen – bis zu rund vier Meter.

Wenn es mir dann zu viel werden sollte mit der stechenden Schönheit, könnte ich ihr Holz gewinnbringend für Intarsien Arbeiten anbieten. Es soll gut polierfähig sein. Oder, wenn ich den Lübeckern trauen kann, krümele ich die Blätter rings um den Garten herum und verwehre somit den Ratten und Mäusen den Eintritt. Weder Geruch noch Geäst mögen diese Nager. Aber Harry Potter. Der hatte einen Zauberstab aus Stechpalmenholz. Und schon bei den Druiden gilt die Stechpalme im 15. Jahrhundert als Symbol für Tapferkeit. Kurz gesagt, ist die Stechpalme ein sehr nützliches Gewächs, das in vielen Ländern auftaucht. Da sie unter verschiedenen Namen unterwegs ist, war sie uns als „Weltenwanderer“ noch wenig bekannt.
Gedüngt habe ich sie ab und an im Frühjahr mit Pferdemist, immer mal wieder mit Kaffeesatz und ganz wenig auch mit Koniferen Dünger. Nur zur Unterstützung des Austriebs soll sie im Frühjahr mineralischen Dünger bekommen, und auch dann genügen geringe Mengen.

Es gibt wunderschöne buntbelaubte, also panaschierte, Sorten. Es gibt gelb-beerige, es gibt aufrecht wachsende, es gibt Heckenpassende. Und hier spreche ich nur von den hochwachsenden. Aber in meinem Website-Teil „Wintergarten“ erwähne ich bei den Immergrünen auch die kleinen fast bodendeckerniedrigen Sorten. Mir gefallen sie beide, meine Ilex-Gartenbewohner.  

Wolfsmilch
Botanisch: Euphorbia
(Euphorbia polychroma / Euphorbia amygdaloides / Euphorbia x martinii)
Besonderheit: giftig durch hautreizenden Milchsaft, Insektenmagnet mit Blüten

Im Frühling gibt mir die Gold-Wolfsmilch (Euphorbia polychroma) einen Frischekick. Sie ist ein Neuerwerb. Ihre gelben Hochblätter leuchten sonnig hell. Im Herbst färben sie sich gelb-orange. Jedoch muss ich feststellen und fast schon verallgemeinern, dass die gelb-laubigen Sorten, sei es Segge oder eben Wolfsmilch, unter praller Sonne eher leiden als die dunkel-laubigen. Über den Sommer hin wurde das satte Grün der Gold-Wolfsmilch spärlicher.

Die anderen beiden, die dunkel-laubigen Arten scheinen widerstandsfähiger. Es sind die Mandelblättrige Wolfsmilch und die Martinii, ein Südfranzose. Allerdings habe ich beide Pflanzen in den Halbschatten gepflanzt. Scheinbar, jedenfalls in meinem sehr sonnigen Garten, ist ihnen das lieber als volle Sonne. Sie verlieren die Blätter nicht, sind also wintergrün. Wenn der Herbst den Garten in seine Ruhe schicken möchte, bilden sie buschige Rosetten. Die Knospen sitzen dann schon parat, ähnlich dem Rhododendron, der es im Frühjahr nicht abwarten kann, seine Pracht zu entfalten. Die Blattfarbe der Laubblätter geht schon fast ins Bunte, jedenfalls ist es ein Blaugrün mit leichter Rötung. Bei der Martinii darf ich mich im Frühjahr auf besonders dekorative Blütenstände in Kuppelform freuen. Es wird ihr erstes Frühjahr bei mir.

Mir gefällt die lockere Kompaktheit der Wolfsmilchgewächse. Diese wird durch die quirlig zusammengesetzten länglichen Laubblätter aufgeheitert. Sie stehen zu mehreren am Knoten angesetzt, oder man sagt auch „in Wirteln“. Da diese bei der Mändelblättrigen und Martinii besonders dunkelfarben sind, heben sich die gelbgrünen Blütendolden leuchtend ab. Horstig ist der Wuchs, so sagt der Fachmann. Mit ihrer Wuchshöhe von 30-50 cm bzw. bei der Martinii bis rund einem Meter verwende ich sie idealerweise als Beeteinfassung oder habe sie als Farbkontrast zwischen niedrige Stauden gesetzt.

Bereits im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung verwendete der griechische Arzt Dioskurides des römischen Cäsaren Nero aus dem Saft und der getrockneten Frucht der Zypressen-Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias) ein Schmerzmittel bei Zahnschmerzen sowie ein Abführmittel.

Ab Mai blüht die Wolfsmilch. Nicht rot, nicht weiß, nicht lila oder blau, sie blüht gelb! Mehrheitlich jedenfalls, manchmal auch orange, wie bei der Feuer-Wolfsmilch (Euphorbia griffithii ‘Fireglow’). Nicht einfach durch Blüte schmückt sie sich, das könnte ja jeder und sie würde nicht Wolfsmilch heißen. Sie blüht am Blatt. Am Hochblatt! Diese Scheinblüten sind männlich, der Fruchtknoten mit der dreiteiligen Narbe ist die weibliche Blüte. Die tellerförmigen also flach geöffneten kleinen Blüten haben sich meist im Dreierbund einen interessanten Aufbau geleistet: Zwei kleine oberste Zweiglein balancieren ihre Tellerchen, werden dabei aber selbst aus einem Teller herausgeschoben. Diese filigrane Pyramidenform scheint der Akrobatik entnommen zu sein. Noch dazu, da im Inneren der kleinen Teller markante Zentren sitzen. Da kommen wir den Weihnachtssternen näher, die auch Wolfsmilchgewächse sind und deren markante rote Blüten ebenfalls „nur“ Hochblätter sind. So sind auch hier die kleinen rotgefärbten Knubbel im Zentrum die eigentlichen Blüten des Wolfsmilchgewächses. Die umgebenden leuchtenden Blätter dagegen heißen Hochblätter. Das Plus daran: Sie blühen sehr lange, fast den ganzen Sommer durch. Im Herbst bilden sie ihre Kapselfrüchte aus.

Im Herbst warf die gelbblättrige Art, die Gold-Wolfsmilch, ihre Blätter; die Dunkellaubigen, die Mandelblättrige und Martinii, sitzen kräftig beblättert im Winterbeet. Durch den Winter sind bisher alle meine Wolfsmilch-Pflanzen ohne Abdeckung gekommen.

Kalk verträgt die Pflanze. Sonne liebt sie verhalten. Im Halbschatten unter Efeu und daher auch feuchter stehend entwickelt sie sich gut, allerdings soll an halbschattigen Standorten ihre markante rötliche Herbstfarbe weniger ausgeprägt sein.
Meine dunkel-laubige Wolfsmilch, die Mandelblättrige, teilte ich zu spät im Frühjahr und pflanzte sie um. Es ging ihr in den ersten Wochen nicht gut. Sie schwächelte, wuchs aber bei guter Bewässerung und Halbschatten über den Sommer gut an. Besser ist die Teilung und Pflanzung im zeitigen Frühjahr. Noch dazu, da die Sommer immer trockner werden und die Pflanzen zusätzlich nicht gestresst werden sollten.

Beim Teilen, Abknicken eines Zweigleins oder beim Rückschneiden sehe ich, warum die Pflanze ihren Namen trägt: sie blutet weißen Saft aus, die Wolfsmilch. Er gerinnt an der Luft. Möchte ich durch Teilung vermehren, muss ich erst den Milchsaft auslaufen lassen, sonst wird das Anwachsen erschwert. Was würde der Wolf dazu sagen, wenn der Pflanzensaft seine Jungen nähren sollte?

Ist er auch für Wölfe giftig? Für uns jedenfalls ist er es. Starke Hautreizungen können beim Berühren des Saftes auftreten. Verantwortlich sind Terpenester. Vor allem hüte ich mich, nach Kontakt mit der Pflanze ins Gesicht zu fassen. Besonders Schleimhäute könnten entzündet werden. Ich erinnere mich, dass wir als Kinder schon gewarnt wurden, dass wir erblinden würden, geriete der Saft des Weihnachtssternes in die Augen.

Allerdings, auch gutes Gift soll erwähnt werden: Der Saft hilft beim Entfernen von Warzen, die mit ihm bestrichen werden sollen. Ausprobiert habe ich es noch nicht. Keine Nachahmung oder Eigenhandlung sei empfohlen, da nur die richtige Anwendung heilt; falsche Anwendung kann Tumore begünstigen und Schleimhäute reizen. Beim draufgängerischen Experimentieren kann man schnell draufgehen! Schließlich gehören wir Städter nicht mehr zu den Naturvölkern, die sich mit radikalen Ritualen böser Geister und schlimmer Krankheiten entledigen wollten. Räucherrituale sind dabei noch die gängige und weniger anstrengende Praxis; im Falle von Wolfsmilch wurde die Darm- und Organreinigung mit Hilfe von Erbrechen und Durchfall bewerkstelligt. Homöopathisch werden Wolfsmilchpräparate noch heute genutzt. Generell sollte man sich mit einem Heilpflanzenkundigen austauschen oder homöopathische Mittel verschreiben lassen.

Insgesamt gibt es rund 2.000 Arten innerhalb der Gattung der Wolfsmilchgewächse, die sich Euphorbia, oder für uns eben Wolfsmilch, nennt. Die einheimische Art nennt sich Zypressen-Wolfsmilch. Mit der Kenntnis über die günstigsten Standortbedingungen von Wolfsmilchgewächsen ausgestattet, habe ich nun die Wahl zwischen tropischen Gewächsen und einheimischen und auswärtigen. Und ich – wie immer auf Neuheiten aus - wenn ich nicht weiß, womit ich ein paar Gartensteine verschönere, werde mir eine sukkulente Sorte der Wolfsmilch vornehmen. Allerdings – sukkulente Sorten sind nicht frosthart.



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