Winterjasmin
Botanisch: Jasminum nudiflorum
Besonderheit: Insektennahrung mit Winterblüte
Der Winterjasmin blüht im milden Winter schon im Dezember. Bei Minusgraden zeigen sich die Blüten allerdings erst, wenn die Sonne höher steigt. Sobald sie aber erscheinen, leuchtet er. Dann macht er die Nacktheit der Triebe mehr als nur wett – „nudiflorum“ wurde ihm im botanischen Namen hinzugefügt. Der floristische Nudist lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Blüte. Als hellgelbe Spitzen kündigen sie sich an den langen Peitschentrieben an. Nach der Blüte schieben sich die kleinen 1-3 cm großen Laubblättchen raus.
Er ist so genügsam, er nimmt mit dem Sandboden vorlieb. Nur etwas Kalk gebe ich ihm und etwas Dünger am Frühjahr. Sein genetisches Gedächtnis sagt ihm, dass er ja an den Felsen der ostasiatischen Gebirge, im Himalaja, in bis zu 4.500 Meter Höhe gelernt hat, zu überleben. 1844 schmuggelte ihn der Schotte Fortune aus Asien nach Europa, wo er seine Karriere als Wintergartengewächs begann.
Wie schön, dass es ihn gibt. Obwohl er kein Schönling ist. Er ist sparrig, er räkelt seine langen Tentakeln in alle Richtungen. Nur einmal habe ich den Fehler gemacht und habe ihn zu spät und radikal beschnitten. Das hat ihn beleidigt. Seine Blüte zeigte er daraufhin nur verhalten im Winter. Im milden Winter wohlgemerkt, so ganz eisig mag er es nicht. Ich stellte fest, dass er dann doch der sonnigere Typ ist und die Minusgrade für seine Blüten verabscheut. Einige waren bräunlich als der Frost im Januar durchzog. Kurz oberhalb der Nullergrenze gibt er sich zufrieden und blüht von Januar bis März. Ein sonniger und geschützter Standort ist ihm sehr lieb.
Kleine gelbe Kelche mit fünf bis sechs Blütenblättern sitzen dann direkt an den grünen Trieben. Schlau hat die Natur die Blütenöffnung eingerichtet: Er öffnet die Blüten nie alle auf einmal. So verhindert er, dass die sonnengelbe Pracht im ungünstigen Fall komplett kaputt ist. Das wäre doch schade für die winterhungrigen Insekten. Bei sonnigem Wetter und moderaten Temperaturen wollen sie bei dem noch nicht einmal duftenden Winterjasmin auftanken. Meist schon Anfang April ist dann Ausruhzeit angesagt. Dann sind alle Blüten des Winterjasmins durchgeblüht. Dann wird er wieder zum grünen Unscheinbaren, den ganzen Sommer lang. Was soll´s, fragt er uns. Was soll er mit Primel, Tulpe, Narzisse konkurrieren? Die können ja nur aus dem Zwiebelschuh gucken. Dafür muss man sich doch nicht bewundern lassen! Pah! Sagt´s und sorgt für Nachwuchs an Trieb und Wurzel.
Generell möchte der Winterjasmin die Triebe kurz nach der Blüte auf 3-5 Augenpaare verschnitten bekommen. Ein guter Schnitt verhindert das Verkahlen an der Basis. Die Beachtung dieser Schnittzeit ist – aus eigener Erfahrung wichtig - denn er blüht „vorjährig“. Er sorgt also vor und bildet schon im Sommer die Blüten für den Winter oder für das nächste Frühjahr.
Beim letzten Spaziergang in der Umgebung hatte ich mit meinem Mann an einer Häuserwand im Vorfrühling den gelben Wust aus über und über herabrauschenden Kaskadenblüten bewundert. Der Winterjasmin muss dort schon seit Jahrzehnten wachsen, keine Wand war dahinter mehr zu erkennen.
Aber man muss es auch wollen, die langen grünen Tentakeln immer wieder zurechtbiegen, festbinden, ab und an denn doch mal verschneiden oder auch die fußendigen Wucherungen heraustrennen. Und wer auch immer dann in der Verwandtschaft oder Freundschaft die Hauswand begrünen will, kann gern einen Ableger von mir bekommen.
Man sagt, er ist eine Kletterpflanze. Ich würde sagen, er ist eine peitschenbildende längswachsende Triebpflanze. Denn klettern kann er nicht richtig. Klettern kann die Clematis. Aber die kann dafür nicht im Winter blühen. Er hat nun mal keine Haftorgane, er ist ja auch kein Efeu. Man nennt dies „Spreizklimmer“; er spreizt seine Triebe auch durch andere Gehölze hindurch und verschafft sich so den nötigen Halt. Oder ich rufe meine Erinnerung über Handarbeiten ab und häkele die Triebe durch das Rankgitter. Jedenfalls freue ich mich über den immer üppiger werdenden genügsamen asiatischen Strauch.