Herbstgarten - Gartensinn

Direkt zum Seiteninhalt

Mein Herbstgarten

Herbstanfang: 22. September
Jahreszeit: September – November

Im Herbst wird die Ernte eingefahren. Der Pfirsich mit seiner Frucht, die uns an samtweiche Haut denken lässt, wurde zum Lastenträger. Büsche und Bäume haben sich zu früchtetragenden Vitaminlieferanten gewandelt. Mehrjährige laufen zu sättigenden Bienenweiden auf. Einjährige und Knollenträger punkten mit satten Farben. Herbstzeit ist auch die Zeit des Pfaffenhütchens. Ich hatte den mehrjährigen Strauch für das Rotkehlchen gepflanzt. Dessen bevorzugte Herbstmahlzeit sind die kurios geformten Früchte. Der diesjährige Radikalschnitt sorgte für wunderbar viele Früchte. Die schwarzblauen Beeren der Mahonie könnte ich zu Marmelade verarbeiten. Jedoch, dann hätte ich einen Gartenfreund weniger. Sobald die Mahonie sich ihre schmückenden Beeren angehängt hat, wird sie zum Vitaminlieferanten konkurrierender Amselfamilien. Wäre ich ihr Futterkonkurrent, würden sie mir ihre Singstimme verweigern.

Die Natur gleitet nur zögerlich in die jährliche Altersruhe. Den weißen kalten Winter gibt es seit Jahren nur als Überraschungsgast. Viele Sträucher treiben noch einmal oder zu früh aus. Auch Blüten, die verharren, die sich nicht in den Winter schicken lassen wollen, erfreuen mich. „Schneewittchen“ macht, was sie immer macht: Sie ist noch im Schlafen schön; die tiefrote Rose „Munstead Wood“ hat der Kosmetikindustrie ihr Geheimnis abgelauscht: Sie trägt Feuchtigkeit auf der Blütenhaut.

Die Rosen, die wilden mehr als die hochkultivierten, bringen die Herbstfarbe auf dem Punkt. Sie hängen das rote i-Tüpfelchen an Zaun und Strauch, und Lieder von ihnen gibt es auch. Wer mag das Männlein sein…? Ob die Hagebutte, die Frucht der Rose, ein Männlein ist, oder ob sie die Frauen und Kinder geschickt hat, ist egal, Hauptsache sie trägt rot! Die Farbe der Energie trumpft im Herbst auf. Sie verbündet sich mit der Farbe der Kreativen, dem Gelb, und mischt das Gold hinein. Kreativ malt der Herbst die Landschaft an. Was waren die früher doch schlau: „Der Herbst, das ist ein Malermann“, heißt es in einem alten Kinderlied. Tatsächlich! Es werde rot und es ward rot. Es werde golden und - es bleibt sogar grün.

Farben! Wer fährt seine Stimmung im Herbst auf Null runter? Wer sagt: Ach, wie trübe, ach wie grau ist der Herbst! Ich sage, ach, wie schad, dass der Mensch den Herbst nicht als Erntemonat sieht! Im Frühjahr und im Sommer habe ich gearbeitet, um im Herbst die Ernte einzufahren.
Also belohne ich mich. Ich wundere mich durch den Garten der Farbvielfalt, bleibe stehen und genieße das Ansteigen der Farben in ihrer Intensität von hell bis dunkel. Herbstmuffeln empfehle ich, die Sträucher anzuschauen: Wenn das Chlorophyll geht, kommen die Anthocyane, die Rotfärber. Aus grün macht der Herbst rot. Ist das ein Wunder? Nein! Das ist Natur. Wir können sie sehen! Und genießen.
Und wer jetzt noch jammert: Ich hab ja keinen Garten, ich kann ja keine Farben sehen, dem empfehle ich, auf dem Gold der Gehwege zu schlittern. Wie eine goldfarbene Schicht, durchsetzt mit Rostrot, liegen die Blätter auf den Gehwegen.

Im Beet finde ich die Tagetes, die Studentenblumen. Im ersten Frost werden sie unansehnlich braun zusammenschrumpfen, aber Ende Oktober scheinen sie noch kälteresistent zu sein. Sogar die neue Errungenschaft, eine Gewürztagetes, stattet ihre scheinbar schüchternen kleinen Blüten noch mit sattem Gelb aus. Die Hornveilchen in Weiß, Lila und Orange haben ihre arktischen Gene entdeckt und blühen unverzagt dem Winter entgegen. Selbst das Löwenmäulchen, das mal aus Versehen unter der Olive samte, trotzt der Nachtkälte und hält seine Schnappmäulchen in die Novembersonne. Die Glockenblumen im Steingarten leuchten zum wiederholten Mal lila. Die Primeln sind wintergrün. Sie breiten ihre Blattrosetten schützend über den Boden. Auch die Geranien dicht am Haus lassen sich vom angeblichen Herbsttrübsinn nicht anstecken. Was also heißt hier „Herbst-Blues“? Der Herbst ist bunt, ist grün, und ist aktiv. Darum liebe ich ihn, wegen seiner Farbpalette voller weicher warmer Farben.

Gärtner sind weitsichtig. Sie müssen mindestens ein halbes Jahr vorausdenken. Die Zwiebeln der Tulpen, Narzissen und anderen Frühjahrsblüher müssen im Herbst in die Erde. Und schon liege ich wieder auf Knien. Schon suche ich wieder passende Stellen, die ich hoffentlich gut genug markiert habe, um sie nicht doppelt zu besetzen.

Eine Zurückhaltende hält jetzt ihre saphirblauen Kelche den Insekten entgegen. Die Bartblume ist es. Sie ist die Herbstaktive. Andere wiederum müssen gehen: Die Gladiolen hebe ich Anfang November aus und gönne ihnen ihr sandiges trockenes Winterquartier.
Die immergrünen Sträucher haben sich das Vogelfutter an ihre Zweige gehängt. Schließlich haben die fleißigen Vögel ihnen den Sommer über lästige saugende Schädlinge weggefressen. Die Berberitze zum Beispiel: Zugelegt hat sie und streckt ihre beerenbehangenen Krallen noch länger als im Vorjahr aus. Da hilft nur der konsequente Schnitt. Die gelben Beeren bleiben. Ihretwegen springt die Amsel wie ein Hündchen einen halben Meter hoch zum Abzupfen. Ich habe nicht nur ihr, sondern allen Gartenvögeln eine abwechslungsreiche Futterversorgung gesichert. Der klimmende immergrüne Efeu bleibt nicht nur Frühjahrs-Nistplatz, sondern auch Blüten- und Beerennahrung in Herbst und Winter.

Die Dahlien blühten schon im August. So wie ich dachte, drückte es meine langjährige Bekannte aus: „Dahlien?! Das sind doch Herbstblüher!“ Früher war´s. Heute blühen sie in Parkanlagen und Gärten schon im Sommer. Warum auch nicht? Sie verkürzen dadurch keineswegs ihre Blühdauer im Herbst. Sie sind die frühreifen sommerstartenden Herbstblüher! Je milder die Herbsttemperaturen werden, desto länger blühen sie. Manchmal brechen die regennassen großblütigen Dahlien am verhältnismäßig schmalen Stiel um. Dann nehme ich eine Not-OP vor und sammle sie für die Vase ein. Dort halten sie lange durch. Im ausgehenden November, der seine Frosttemperaturen allerdings noch zurückhält, prunken die hochstieligen rosafarbenen, weißen, gelben und roten Dahlien.

Der Hohen Fetthenne schaue ich beim Beetesäubern in ihren Nabel. Bis in den Frühherbst verdeckte sie ihre Basis mit den langstieligen prunkvollen Dolden. Im Spätherbst aber kippen die langen fleischigen Stängel schwächelt auseinander. Und da, dicht am Boden sitzend, entdecke ich die witzig winzigen graugrünen Blattaustriebe. Die fliegende Zunft rastet bis spät in den Herbst auf den abgeblühten Dolden der Fetthenne.

Das Gras darf sich bis zum Frühjahr in Sicherheit wiegen. Es ist DER Herbstgewinner! Kein Schnitt, keine Verpackung, nur eine Umschnürung zum Schutz der Pflanzbasis wird es behelligen. Die Halmhüllen kreieren unterschiedliche Formen, Farben und Höhen, in denen sich die Insekten verkriechen können, oder an deren Samen die Vögel knabbern können. Sie setzen sich Puschel, wie das Zebragras, sie schwingen mit vielfacher fiedriger Eleganz wie das Zwerg-Chinaschilf,  sie tragen akribisch ihre Dekaden von Borstenbürsten wie das Lampenputzergras und - kommen auch schon mal im Halloween Kostüm verkleidet wie das Große Chinaschilf daher .

Gemächlich gehen die sommergrünen Sträucher ihren Spaziergang ins Winterreich an. Außer der Hartriegel, der will es mir noch einmal so richtig zeigen. Sowohl Blütenstände und Blattaufbau im Sommer als auch Blattfarbe und Rinde im Herbst und Winter lohnen den Blick. Der rot-rindige Hartriegel muss sich bis nächstes Jahr herausputzen. Nach einem Stellungswechsel habe ich ihn radikal beschnitten. Der gelb-orange Rindige jedoch hat das volle Programm der Wandlungsfähigkeit von Gartensträuchern absolviert. Fast möchte ich ihm unterstellen, meine Unwissenheit auszunutzen. In drei Jahren kann so ein Hartriegel schon ziemlich selbstbewusst an Höhe und Wurzel entfalten.

Einige Gartenstauden machen die Orientierung leicht. Sie tragen die Jahreszeit im Namen. Die Herbstanemone wird noch einmal besonders schön. Die benachbarte Rispenhortensie unterstreicht den filigranen Aufbau dieser Sommer- und Herbstpflanze. Herbstastern gibt es an Formen und Farben so unzählig viele. Hauptsache aber, es gibt sie im Garten, oder auf dem Balkon. Sie tupfen ihre Blüten über die Beete und sorgen vor allem mit später Nektarquelle für die Insekten. Herbst-Chrysanthemen hielt ich durch Generationen-Überlieferung immer für Herbstastern. Und nun sehe ich, dass hohe und niedrige, helle und dunkle Blüten mich noch im November erfreuen, während die Herbstastern schwächelten und sich Ende Oktober verabschiedeten. Ich beschäftigte mich also mit diesen wunderbar Widerstandsfähigen und siehe – sie haben verholzte Stiele, sie tragen die Blütenköpfe mit Frostschutz und sie stehen ungestraft Temperaturen um die Null Grad durch. Welch wunderbare Herbstgeschöpfe!

Das kann ich auch von den Herbstzeitlosen sagen. Sie tragen sowohl den Herbst als auch das Zeitlose im Namen. Jedoch – hach! Ach! – diese Teuflischen! Die schmucken einfach und gefüllt blühenden Herbstzeitlosen sind tödlich. Sehr tödlich. Wie kann eine wunderschöne gefüllt blühende „Waterlily“, zu Deutch „Seerose“, giftig sein? Unter den Giftpflanzen rangieren sie mit „garantiert tödlich“. Also setzte ich ihnen einen friedlichen Hof, umhüllte sie mit Immergrünen und siehe – ich lebe immer noch. Bei ihrem Anblick lebe ich sogar heiter beschwingt. Listenmäßig aber werde ich sie im Giftgarten erfassen. Ordnung muss sein.

Selbst, wenn die Stauden der Mädchenaugen mit dieser Zeitlosigkeit nicht mithalten können und bereits verblüht sind, haben sie doch vom Spätsommer bis in den Oktober hinein geleuchtet. Dies musste ich belohnen: Neue Stauden mit neuen Farben werden diese Blüher nächstes Jahr komplementieren.

Geerntet habe ich die Früchte der Kornelkirsche schon im August. Ein glatter Schnitt musste dann den abgespreizten Astarm beseitigen. Wir wollen doch eine harmonisch abgestimmte Baumfigur bewundern! Dabei kreuzte auch eine Frage mein Gärtnerhirn. Erkennen wir die Weitsicht der Natur an? Erkennen wir sie überhaupt? Schaue ich auf die Zweige der Kornelkirsche im Oktober, sehe ich das Frühjahr gut vorbereitet. Die knubbeligen Knospenansätze harren schon Ende des Herbstmonats Oktober der Sonne des frühen neuen Jahres entgegen. Sie wird die erste sein, die - dann noch ohne Blätter - ihre fiedrigen Blütenquirle den Insekten entgegenstreckt.

Die Schneebeere hatte es zu eilig, jedenfalls dem Namen nach. Der Wirkung nach spaziert sie jedoch perfekt durch den Herbst. Sie zeigt Frucht, und dies besonders zart.

Und dann ist da eine, die mir den neuesten Erkenntnisstand bringt, obwohl sie schon die Alteingesessene ist: Die Silberrand-Chrysantheme. Sie heißt auch Pazifik-Margerite, und botanisch korrekt Ajania pacifica oder Chrysanthemum pacificum. Sie schmückt die Beetränder, bringt Struktur hinein und leuchtet mir entgegen. Sonnengelben Schmuck verteilt sie durch den Garten. Ein grauer Tag wird durch einen Blick in ihre Blütenstände erhellt , sei es auf dem Balkon, im Zimmer oder im Herbstgarten.

Von der Bewegung in der Natur bekommen wir jetzt weniger mit. Auch im Garten agieren die Geschöpfe geschützt vor meinem Blick oder verstecken sich gar. Das Laub unter der Hecke beherbergt das Igelhaus. Wird Frau Igel wiederkommen? Voriges Jahr hat sie uns ihr Kind gezeigt.
Von den zahlreichen Vögeln besuchte mich der kleinste, der Zaunkönig, am Fenster. Er saß auf dem Balkonkasten und suchte nach Lebendnahrung. Er singt sogar im Winter, wenn selbst das Rotkehlchen sich dezent zurückhält. Verschiedene Laubverstecke, Steinhaufen, Altholzzweige bieten ihnen jegliche Quartiere. Im Frühling müssen diese Schädlingsbekämpfer wieder fit sein. Ich hoffe, dass ich alle Gartenbewohner bedacht habe.

Zurück zum Seiteninhalt