Gräser
Botanisch: Miscanthus, Panicum, et cetera
Sie duften nicht, sie sind keine Insektenweide, sie geben den Schnecken in ihrem Pflanzherzen nur ab und an kühlenden Unterschlupf. Diese luftigen Gesellen haben es mir angetan. Sie strotzen vor Schönheit und trotzen dem Klimawandel. Sie schwingen sich durch die Jahreszeiten im angepassten Tempo. Sie können voluminös daherkommen, wie das Chinaschilf, gescheckt wie das Zebragras, leicht und luftig wie das Reitgras, oder klein und puschelig wie das Lampenputzergras. Und dazwischen gibt es ein Varieté an Buntgefärbten.
Sie unterstreichen die Kompaktheit stolzer Nachbarn, erweitern die Luftigkeit der grünen Bewegung, untermalen die Dunkellaubigkeit exotischer Stauden und präsentieren den Reiz vom anmutigen Jungsein bis zum geheimnisvollen Altern. Vor allem aber sind sie ,die Begleiter durch den Herbst, sogar durch den Winter, und werden zur Attraktion, wenn die Sommerstauden in den Schönheitsschlaf gehen.
Nützlich sind sie für die Kleinen der krabbelnden Gartenzunft, wenn ich die Halme im Herbst zusammenbinde und die Ähren und Hülsen der Gräser über den Winter stehenlasse. Vögel finden Samen und kleine Insekten Schlaf- und Brutgelegenheit. Schnee als Häubchen gibt es im Garten ja nur noch bedingt, dafür aber bilden die Silberwedel der Gräser mit den Rispen von verblühten Kräutern oder den markanten Dolden der Fetthenne ein beeindruckendes Stillleben.
Der Schnitt im Frühjahr muss vor dem Neuaustrieb erfolgen. Das Schnittmaterial lege ich als Nistmaterial aus oder als Insektenunterschlupf. Zerkleinern ist ebenso möglich, dann nutze ich es zum Abdecken zwischen den Beeten.
Dieses Jahr Ende März hab ich mir professionelle Hilfe zum Schneiden geholt. UND – hab einen Schreikrampf bekommen. Das chinesische Riesengras war nur noch 15 cm hoch und trocken. Das Zwerg-Chinaschilf zeigte mir eine Handbreit Strohhalme, das Zebraschilf äffte die anderen beiden nach. Ich dachte, das war`s. Der Expertenschnitter, im ultimativen Cut voranschreitend, aber betonte: „Keine Angst. Die Natur hilft sich selbst.“ Aber weiß das die Natur?
Ja, sie wußte! Mitte Juni stehen alle Gräser bei rund 70 bis 120 cm Höhe, legen im Sommer zu und haben sich im Herbst zu Schönheiten gemausert. Da bewahrheitet sich wieder: Ein regelmäßiger Schnitt fördert den Haarwuchs und macht die Gärtnerin am Ende richtig froh.
Ende Mai bekommen sie einen Langzeitdünger: Rinder- und Pferdepellets. Zwischendurch bis Juli folgt noch eine Schüttung Dünger und dann lasse ich sie richtig schön auswachsen, gieße nur ab und an Schachtelhalmbrühe, Brennnesselbrühe auch und erfreue mich am Wiegen der eleganten grünen Bögen durch den Sommer bis zur bunten Saison.
Riesen-Chinaschilf (Miscanthus floridulus) musste voriges Jahr geteilt werden, mit dem Beil! Es war seine angekündigten rund 2,80 Meter hoch geworden. Jedoch die Breite war es, die das Beil erforderte: Es maß im Durchmesser rund 80 cm und folgte der Schwerkraft nach unten. Kein Training gegen Haltungsschaden half. Nach dem Beilschlag passte es wieder. Erstmal.
Es ist ein Spätstarter. „Warm-season grass“ sagt der Experte dazu. Es braucht eine Bodentemperatur von rund 15 Grad und startet seinen Höhenflug ab Mitte Mai, eben in der warmen Saison. Kompaktheit kann ich bei diesem Gras nur durch Nachhilfe erreichen. In freier Natur würde es bei Sommerregen komplett auseinanderfallen. Man muss es nur wissen, dann erfreut man sich im Herbst an den Silberwedeln uneingeschränkt.
Die Schönheit des Grases unterstreicht der helle Mittelstreifen, der den eleganten Bogen des Halmes zeichnet. Bei mir steht es als Solitär, ich könnte mir aber auch einen Reif von lila Glattblattastern vorstellen, oder von der Indianernessel. Beide sind allerdings Wucherblumen und strecken ihre Rhizome leicht durch das ganze Beet.
Rotspitzige Rutenhirse (Panicum virgatum) „Cheyenne Sky“ würde gern wandern, schließlich hat es die Grasgene in sich und dem Namen nach den Himmel der Cheyenne über sich. Aber sein realer Himmel ist grün. Das Lebensbaum-Stämmchen bietet ihm ein Kuscheldach. Da ich nicht nur eine schnittige Gärtnerin sondern auch eine Wurzelkürzerin bin, ziehe ich die Rhizome des Graswuchers aus der Erde, bevor sie sich zwischen die Rosenwurzeln schieben.
Diese nordamerikanische Rutenhirse ist ein Süßgras. Es wird bis zu 100 cm hoch und 60 cm im Durchmesser. Es blüht von Juli bis August und ist winterhart. Auch sie ist ein „warm-season grass“, das heißt, es bunkert im Sommer die Wärme und hat den großen Auftritt im Herbst.
Zwerg-Chinaschilf (Miscanthus sinensis Adiago) trägt im Herbst würdevoll aufrecht und doch beschwingt seine Halme. Sie sind schmal und gehen leicht ins Graugrüne. Als perfektes Make-up haben sie sich im Frühjahr einen leichten weißen Mittelstrich aufgemalt. Ab September schweben die zarten Federwedel über dem Farbwandel der Mutterpflanze. Sie zeigt im Herbst den vollzogenen Reifeprozess vom Aufrichten der zarten Hunderte von Grasblättern, geht über zur sich wiegenden vollkommenen Könnerin und wandelt sich im Spätherbst zur Inka-Prinzessin mit elegantem Kopfschmutz. Dabei kann sie auf meine Hilfe rechnen.
Zebraschilf (Miscanthus Strictus) wird auch Stachelschweingras genannt. Wer diese wilden Gesellen mit den langen Borsten kennengelernt hat, bestimmt sein Gras im Garten doch lieber mit dem Zusatz „Zebra“. Diese netten Herdentiere liefen uns in Afrika vor die Linse, aber – Überraschung! – sie hatten gar keine grünen Hosen an. Egal, wenden wir uns der gelungenen Erschaffung eines wunderschön gestreiften Grases zu. Es hat sich eingelebt und verbreitert sich umfänglich und jährlich, was aber nicht schlimm ist. Ich kenne es von mir selbst: Im Alter den Umfang zu halten, ist herausfordernd, das braucht Augenmaß. Und so stehe ich nun am Blatt und messe: Daumennagelbreit wird es; damit ist es das breiteste, was ich kenne. Die Halme wachsen bis 2,00 Meter hoch in voller Sonne. Es neigt sich mir nicht entgegen wie es die anderen tun. Es steht standhaft stolz wie eine African Queen. Das Pflanzencenter warnt: Die angekündigte Blüte trägt das Gras nur bei langanhaltendem heißem Sommer. Tataa! Ab 2018 hat es bei mir geblüht! Ist eben mein Gras!
Diamant Reitgras (Calamagrostis brachytricha) ist der elegante Herbstblüher. Es wächst horstig, es wuchert nicht. Es breitet seine Ähren erst aufrecht in die Höhe, um sich dann bei Regen gehen zu lassen. „Halb zog es ihn, halb sank er hin.“ Aber davor hat das Gras schon lange daran gearbeitet, sich seinen Diamantschmuck anzulegen. Diamantengleich glitzert die Sonne durch die Rispen. Zur Begleitung hat sich die alt-rosa Spornblume noch einmal in den Herbst vorgewagt; die hohe weiße Glattblattaster aber erobert sich Platz 1 als Turmgucker.
Lampenputzergras oder Federborstengras „Moudry“ (Pennisetum alopecuroides) soll dem Olivenbäumchen den Baumfuß kitzeln. Also setzt es sich die Puschel auf. „Walzenförmige Ähren“ heißen sie fachgerecht. Diese Grasblüten zeigen sich ab August bis in den November hinein. Die Herbstsonne scheint durch die Rispen. Gefoppt bin ich, wenn ich denke: Was du siehst, ist was du kriegst. Nein, nein, das sind keine weichen Schäfchenpuschel. Das sind Federborsten, und die sind pieksig. Weiche Akzente setzt es dennoch durch die hellen fast durchsichtigen Ähren. Ich soll es alle paar Jahre teilen, damit es nicht blühfaul wird. Mach ich! Klar, Chef!
Das kleine Blauschwingelgras (Festuca cinerea) hat sich behauptet. In exponierter Position bei vollem Sonnenempfang wird es rund 20 cm hoch. Seine blaugrauen Halme sind rund wie Nähnadeln. Die kleinen Ähren blühen mitten im Sommer beigefarben und wirken wie Trockenblumen. Das Gras ist standhaft und lässt das Herbstlaub einfach in den kühlblauen Schopf rieseln. Umgeben hat es sich mit der schützenden immergrünen Silberrand-Chrysantheme oder auch Pazifik-Margerite genannt (Ajania pacific). Schon bald aber mutiert der Strahlentuff zum Riesenknopf. Wer ihn dann drücken kann, darf unter das Dach der halbmeterhoch wachsenden Fetthenne den Winter überstehen.