Weigelie
Botanisch: Weigelia
Sie ist ein Geißblattgewächs. Was mich wundert. Wäre sie mit dem Geißblatt verwandt, würde sie schlingen, so wie das Geißblatt, die „Lonicera“, bei uns die luftigen Höhen der Mauer erklommen hat. Aber teuflisch gut ist sie. Sie heißt „Lucifer“.
Die rotblühende Weigelie zeigt mir schon seit Jahren die üppig geschmückten Zweige mit den Röhrenblüten. Sie wird von der Bambushecke geschützt, bekommt aber ab frühem Nachmittag volle Sonne. Die mag sie. Platz im Gras hat sie auch, den braucht sie, denn sie ist ein Flachwurzler. Weil ich ihr alles gebe, was sie sich wünscht, belohnt sie mich jedes Jahr. Vergangenen Herbst versäumte ich, ihren Wuchs zu korrigieren. Der rechtzeitige Schnitt blieb aus. Sie trug daran schwer. Bogenförmig ergossen sich die biegsamen Zweige voller luftig leichter herzroter Trompetenkelche im nächsten Frühsommer. Die Blüten schmiegten sich im Daumenabstand über die elegant spitzauslaufenden gegenständigen Blattmulden. Dieses Jahr hat der Profi ihr den Frühjahrsschnitt verpasst. Da streckt sie sich selbstbewusst aufrecht und trägt Ende Mai schon ihren Schmuck.
Pärchenweise, im Trio oder gar im Quartett neigen sich die Blüten an filigranen Stängelchen. Sie locken die Nektarsammler. Die weißen Blütenstempelfäden strecken sich fröhlich der Sonne und den Insekten entgegen.
Die Pflanze ist fleißig. Jeden Tag nährt sie die unzähligen Blütenkelche. Dann aber, sehr konsequent, entscheidet sie: Brauche ich nicht mehr, hab genug genährt, genug Energie verbraucht. Weg damit. Und so lümmeln die abgeschüttelten Blüten im Moos-Rasen.
Doch nur bis zum Abend. Dann kommen die Elfen und stülpen sich die spitzen Kelche über. Sie wollen Spaß. Rot soll der sein, schnell soll er sein. Sie kullern, sie hüpfen. Sie wuseln rotbekappt durchs Moos bis ihre Kräfte aufgezehrt sind. Und bevor der letzte Amselruf vom Dach erschallt, sind sie ermüdet. Unter den schönsten Stein ziehen sie sich zurück. Der Gebirgsrissige glitzert weißorange wie Marmor. Dort schlafen sie ihren Weigelien-Rausch aus.
Und ich setze mich und betrachte den schönen Strauch. Und denke, ein mystisch-lilafarbener Weigelienstrauch könnte auch noch passen. Schwupps, schon steht er am Zaun.