Winteraster oder Herbst-Chrysantheme
Botanisch: Chrysanthemum x hortorum
Besonderheit: Insektenweide
Sie sind NOCH Partner von den herbstschönen Dahlien, aber SCHON die Anzeiger von Novemberwiderstandskämpfern. Sie stehen symbolisch für ein langes Leben. Sie sind artenreich, sie sind farbenreich, sie sind formenreich, sie sind einfach schön!
„Chrysanthemus“ ist im Griechischen die „Goldblume“, zusammengesetzt aus chrysos „Gold“ und anthemion „Blume“. Was wollten uns die alten Griechen damit sagen? Ich denke, dass wir das Farbenspiel würdigen sollen. „Golden“ ist die Landschaft im Herbst, mit Goldansichten punktet die Natur. Hochgeschätzt wie Gold sind diese Stauden, die facettenreich den Abgang vom Blühenden im Spiel der Natur hinauszögern.
Gold sollen wir hüten. Japan hütet die Chrysantheme als Nationalblume und verewigt sie im kaiserlichen Siegel. Ich hüte meine Goldbestände in sonnigen Beeten oder unter hohen Stauden oder an der Efeuwand. Das gibt ihnen Zeit, den Sommer über ihre Blattrosetten zu putzen und ab September ihre Knospen zu entfalten. Sie danken mir den Ruheplatz mit stetig ausbreitender Fülle und jährlich wiederkehrender Blüte.
Sie sind geerdet, denn sie sind die Schönheiten, die sich selbst genügen. Sie brauchen keine Halligalli-Sonnenstimmung, sie brauchen nicht das Säuseln des Sommerwindes, sie nehmen, was sie kriegen, selbst, wenn es Morgennebel, Tagesdüsternis oder frühe Abenddämmerung sind. Als Belohnung lassen sie sich von den Oktoberwinden mit Goldblättern berieseln. Wer so lebt wie die Herbst-Chrysanthemen, wird geliebt mit Selbstverständlichkeit.
Ihr Duft ist so speziell wie der Duft von herber Schönheit nur sein kann. Beim Zerreiben eines eichenlaubähnlichen Blattes, beim Brechen eines Stängels entströmen Wald und Rinde und Exotenblüte. Und da setzt das Denken ein: Wieso Exot? Ist doch nur ´ne Aster!
Ja, ja, das sagen wir immer so. Von Eltern und Großeltern haben wir die Bezeichnung übernommen. Die besagte „Winteraster“ sieht ja auch aus wie eine Aster. Jedoch verheißt uns der Blick auf ihren botanischen Familiennamen, dass wir es bei diesen Stauden mit Chrysanthemen zu tun haben. Und da klingelt es im Hinterstübchen. Das klingt soo wertvoll: Chry-san-theme. Voller Werte war meine Fracht, wenn ich in jungen Jahren einen Strauß mit Chrysanthemen nach Hause trug, mal als Geschenk zu Mutters Geburtstag oder auch mal als lange blühenden Zimmerschmuck. Apart waren die Farben schon vor Jahrzehnten: zartlila, rostrot, sonnengelb oder unschuldig weiß.
Weil sie den Herbst so wertschätzend schmücken, nenne ich sie von nun an fachgerecht „Herbst-Chrysanthemen“. Den Winter, den wollen sie nämlich auch nicht, weder im Namen noch zwischen den Blüten. Einige meiner eingepflanzten Herbst-Chrysanthemen stammen aus Geschenken als Topfpflanzen oder als gekaufte Herbstaufheller. Das Dilemma ihres Daseins als Herbst-Chrysantheme ist dann ihr ursprünglich gewollter Pflanzzeitpunkt im Frühjahr! Nicht nur einmal habe ich mich nicht daran gehalten. Ich kaufte den blühenden Topf im Spätherbst und husch! - kam er in die Gartenerde. Diesen Fehler machte ich mit viel Reisig oder Laub oder Erdanhäufelung wieder wett und schützte ihn so gegen die Winterkälte. Der Rückschnitt soll auf jeden Fall erst im Frühjahr erfolgen.
Nicht immer bekamen sie den perfekten Platz, nicht selten ging eine wieder, weil sie trotz Aufschrift „winterhart“ nicht aus dem Fachhandel kam. Die, die blieben, bedankten sich jedenfalls für Hege und Pflege mit robustem Wachstum und Blühfrohsinn. Wenn da der Frost nicht wäre.
Was ich oft schon verdrängte und mich danach ärgerte – sie sind halt Pflanzen! Wenn der Frost reinfährt, knicken die kleinen Roten ab, dann auch die Zartgelben und dann hängen die Köpfchen. Warum? Weil sie näher am Boden und ihre Stiele nicht so verholzt sind, wie die ihrer hohen Familienangehörigen. Die Feuchtigkeit in ihren Stielchen geht in die nächtliche Schockfrostung. Des Morgens hängen sie schlaff. Wer übersteht schon ungeschützt Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt? Gelernt habe ich, dass ich bei Ankündigung einer Kältenacht ein Vlies über die blühenden Tapferen ziehen muss und schon klappt es mit dem Herbstleuchten, jedenfalls bis zum gnadenlosen Minusfrost.
Sie sind Halbsträucher. Die Vielfalt ihrer Größe und Farbe prädestiniert diese mehrjährigen Korbblütler für den variablen Einsatz. Die kleine Cremefarbene und die Rote sind nur 20 cm hoch. Die Gelbe ist 40 cm hoch, die warmgelb-orange Farbene wird schon 60 cm hoch. Dann kommen die Riesen mit 1,20 cm. Ich habe wieder einmal versäumt, sie nach dem Austrieb im Sommer zu entspitzen. Das hätte ihnen den hohen angreifbaren Stiel erspart und sie wären breiter und buschiger geworden. Eine Stütze hilft ihnen jetzt bei der Bewältigung ihres Längsdranges. Der Fachmann sagt, dass ich die Spitzen bis Ende Juli teilweise um ein Drittel zurückschneiden soll. Dann wird die Pflanze kompakter und dann klappt´s auch mit den Trieben. Hätte ich mal zugehört. Aber im Juli war der Herbst noch weit. Also geht´s weiter mit dem „Learning by doing“, um die Sträucher an meine Wunschgröße anzupassen. Garten lieben lernen, heißt Gartenlernen lieben. Das Lernen geht weiter.
Und dann gibt es da noch die „Speise-Chrysanthemen“ (Chrysanthemum coronarium). Ja, essen könnte ich die Blüten der Chrysanthemen auch. Dazu werden die Sorten Chrysanthemum morifolium oder indicum verwendet. Speise-Chrysanthemen ähneln in der Blüte der Kamille, im Kraut ähneln sie der Mischung zwischen Raute und glatter Petersilie. Sie werden im Salat verwendet, im Dressing mit Honig eingerührt, oder gedünstet. Und tatsächlich soll der Geschmack einer Mischung aus Petersilie und Rucola entsprechen. Blumig und mild sei der Geschmack, so sagt man. Geht bei mir gar nicht. Nicht mit mir! Ich beiße doch meinen Blumenkindern nicht den Kopf ab! Jedoch das Kraut: Wer es will, der nehme das Kraut und dünste es oder verwende die Blätter als Salat, der wie Petersilie daherkommt.
Oder wenn dann die Blüten verwendet werden, brüht man einen Tee aus ihnen. Der Tee aus der chinesischen Tee-Chrysantheme, der Ju Hua-Pflanze, gilt als Heiltee gegen Fieber, Kopfschmerzen und Bluthochdruck und ist für ermüdete Augen als Augenkompressen verwendbar. Das asiatische Wissen von rund 2.000 Jahren über die Chrysantheme leitet denn auch die Erkenntnis ab, dass der Gebrauch des aromatischen Tees über einen längeren Zeitraum den Alterungsprozess verlangsamen kann.
Jedoch – dieser Genuss muss bei mir noch warten. Vorerst konzentriere ich mich auf den Augenschmaus der Chrysanthemen.