Glockenblume
Botansich: Campanula
Meine Hummelnahrung, das sind die vielfach sich behauptenden Glockenblumen. Die meisten krautigen und winterharten Glockenblumenarten sind Stauden. Sicher habe ich die meisten hohen Glockenblumen vom Vorgänger übernommen, denn sie sind mehrjährig und säen sich selbst aus. Auch die Tiere helfen bei der Verbreitung, indem sie sich die Samen anheften und an anderer Stelle wieder abwerfen, unbewusst natürlich.
Manchmal bekomme ich kleine Zwergglockenblumen im Topf geschenkt. Nach dem Verblühen im Zimmer setze ich sie als Beetumrandung. Sie wachsen ohne viel Zutun an und ein und mutieren so zur Polsterglockenblume. Üblicherweise sind sie die Dalmatiner Glockenblumen, die im Freien überleben.
Die Bärtige Glockenblume (Campanula barbata) lässt sich ihren Bart von der kleinen Hummel putzen. Bezahlt wird in Pollenwährung, und zwar richtig gut. Diese Glockenblumenart ist der Wucherer bei mir. Immer mal wieder attackiere ich die Kolonien mit dem Spaten, weil sie alles durchwuchert haben. Dann erfahre ich, warum sie so zäh sind: Ihre Wurzeln scheinen bis zum Erdmittelpunkt zu wachsen. Ziehe ich sie einfach heraus, foppen sie mich und ich habe nur einen gummiartigen fadendünnen Glitschpartikel in der Hand. Der wuchtige Rest lebt eingekrallt im Boden unterirdisch weiter. Soll ich die Blätter und Wurzeln einfach verspeisen? Manche essen Giersch, ich dann eben Glocke. Bei Rapunzel-Glockenblumen würde ich nicht zögern. Märchenlesen bildet: Schon die Mutter von Rapunzel verwettete ihr Kind wegen des Genusses der Blätter und Wurzel.
Sinnbildlich könnten die Pflanzen für Selbstbewusstsein stehen: Die feste Verankerung liegt verborgen, die lichte Schönheit zeigen sie selbstverständlich. Und schön sind sie in der Blüte von Juni bis in den September. Blütenmäßig zeigen sie uns die Vielfalt der Glockenanordnung als Rispe am Stielchen (Rapunzel-Glockenblume), als Traubenstand (Pfirsichblättrige), als Knäuel (Knäuelglockenblume).
Die „pfirsichblättrige“ Glockenblume (Campanula persicifolia) wächst teilweise unter dem Efeu, wo es erst am Nachmittag sonnig wird. Also kommen sie mit Schatten klar. Mitten im Beet aber unterstreicht die mehr als einen halben Meter hochwachsende Glockenblume ihre elegante Erscheinung durch das Leuchten der lilafarbenen Blüten über lanzettlich geformtem Blattgrün. Die Ähnlichkeit ihres Blattwerkes mit den Blättern des Pfirsichbaumes gab ihr den Namen, der aber meiner Meinung nach von der Blütenschönheit ablenkt. Die Glocken ihres Traubenblütenstandes hält sie weit geöffnet den Insekten hin und wird dafür reichlich belohnt. Ich selbst belohne mich, indem ich die verblühten Stiele entferne und mich dafür mit einem Neuaustrieb bis zum Herbst erfreuen kann.
Die Knäuelglockenblume (Campanula glomerata) hat es auch geschafft, sich ihren Platz zu sichern. Sie ist die kompakte unter den Zarten. Wie ein Konglomerat voller Blüten präsentiert sie ihren botanischen Namen. Ihr Stiel ist starr und leicht behaart, wie auch die Blätter. Sie hat ihre Energie gebündelt und sich alle Glocken um den oberen Teil ihres Stieles gesetzt, eben als Knäuel. Mit ihrer intensiven Farbe muss sie im Wettbewerb um das schönste Lila nur gegen das Veilchen konkurrieren.
Was fehlt mir noch? Jedem Gärtner fehlt immer etwas? Im Fall der Glockenblumen ist es die Marien-Glockenblume (Campanula medium). Die botanische Bezeichnung „medium“ könnte der Hinweis darauf sein, dass ich meine Mitte erst gefunden habe, wenn ich diese kompakten Glockenblüten im rosa Farbton im Beet habe. Oder ist es die gefüllt Blühende, oder die Korea-Glockenblume? Egal. Erst einmal halte ich inne und bestaune die prall gefüllten Nektartaschen der kleinen Biene im Pollenzentrum.