Hamamelis oder Zaubernuss
Botanisch: Hamamelis intermedia
Besonderheit: Bienenweide im Winter
Da gab es doch vor Jahrzehnten die Werbung: „Hamamelis, Rosmarin, Eibisch und Kamille, alles das hat Babydas in Hülle und in Fülle.“ Seitdem wollte ich wissen, was dieses Hamamelis ist. Jetzt weiß ich es.
Es ist sparrig, es ist kahl, es ist gewöhnungsbedürftig schön, es ist arrogant.
Ich habe den Strauch dennoch lieb, meinen Hybriden Hamamelis-Intermedia „Jelena“. Jelena ist weiblich, also spreche ich mit Ehrfurcht von „ihr“. Sie ist so selbstbewusst, und geht damit in den Winter. Man muss sie einfach gernhaben. Im tristen Winter, wenn du denkst, alles schläft, schaut die Blüte in die kalte Welt. Im Januar, oder aber sogar schon im Dezember zeigt sich Entdeckerfreude. Damit sie mit dem Wind spielen kann, hat sie ihre Blüten mit lauter kleinen Flatterbändern ausgestattet. „Quadratisch“ nennt sich der Kelch, aus dem diese entwachsen. Sie verträgt die Kälte. Bis -10 Grad hat sie keine Probleme. Damit den Kelchen nicht kalt wird, kuscheln sie sich im Verbund bis zu 5 bis 6 Stück. Gefärbt sind sie entweder orange, korallrot oder kupferrot (wie Zaubernuss Diana, Jelena) oder gelb (wie Zaubernuss Arnold Promise, Westerstede, Pallida).
Meine Hamamelis sollte orange werden, das leuchtet so schön anregend. Gekommen ist sie vom Fachhandel und war dann gelb. Egal. Sie sitzt vor der tannengrünen Hebe und wenn sie größer ist, wirkt die Lebensbaumhecke als Kontrast. Unterpflanzt werden sollte sie nicht, da sie schwachwachsend und ein Flachwurzler ist; Bodendecker könnten ihr das Wasser abgraben. Und das ihr! Ihr, die als Wünschelrute nach Wasser sucht! Sie ist wirklich eine komische Nuss! Jedoch wird sie nächstes Jahr nicht um ein paar Frühlingszwiebeln herumkommen. Die Kleinen werten sie farblich noch auf und tun ihr nicht weh.
An meinen guten beweglichen Tagen und wenn der Strauch blüht, lege ich mich unter den kleinen Sparrigen und schnuppere: Leicht lilienduftig ist die Luft angereichert. Scheinbar sind alle Winterblüher mit lautem Duft ausgestattet. Sie müssen rufen, denn die Bestäuber halten sich vor Kälte die Hörorgane zu. Diesen Winter, der so mild war, haben es dennoch nur fünf Insekten geschafft, denn mehr Blüten gab die inzwischen von 30 cm auf 50 cm Gewachsene nicht her. Die Ursache für die Minderzahl an Blüten ist Trockenheit im Sommer. Dem muss ich abhelfen, entweder regelmäßiger gießen oder den Pflanzenfuß mulchen, damit mehr Feuchtigkeit gespeichert wird.
Im April dann lungern die kleinen entleerten Kelche auf das Reifen ihrer Früchte. Sie wiegen sich sanft und erwartungsvoll im Frühlingswind, denn die Früchte bergen zwei Samen, die im Herbst aufplatzen und wie kleine Geschosse bis zu 10 Meter weit weggeschleudert werden.
Zeitgleich lungern wir auf die Blätter, die sich nun am Zweig zeigen. Nun klärt sich auch der Name, in dem die „Nuss“ steckt. Der Hamamelis-Strauch hat Blätter, die dem Blatt des Haselnussstrauches ähneln.
Man versah sie mit dem Beinamen Zaubernuss. Die Zauberei dieser Nuss ist entschlüsselt, wenn man ihre Angepasstheit betrachtet: Sobald es kälter als Null Grad wird, rollen sich die kleinen Flatterblüten zusammen. So rollig und mollig brauchen sie nur wieder auf steigende Temperaturen zu warten, um sich dann wieder auszurollen.
Der eigentliche Name aber rührt von ihrer bezaubernden Gabe, Wasser aufzuspüren: Früher wurden die Zweige zu Wünschelruten verarbeitet, damit die Wassersuchenden mit ihnen über die Ebenen laufen konnten.
Wenn sie ihre Merkmalsliste abgearbeitet hat, wird sie 2 bis 3 Meter hoch sein. Na, da wird sich ja ihre Umgebung wundern. Die sitzt, wie alles bei mir, zu dicht beieinander. Noch nicht mal schneiden darf ich sie, das nimmt sie übel. Ist der Strauch groß genug und bietet ein paar Zweiglein zum Schnitt an, holt man sich einen aparten Zimmerschmuck ins Haus, indem man die Zweige in Gefäße stellt. Ansonsten will sie nicht verschnitten werden, da die Schnittwunden schlecht verheilen. Ein Paradoxum, da die Rinde die heilende Substanz enthält. Ihre Heilwirkung gibt sie uns, die Märtyrerin.
Gepflanzt habe ich sie empfehlungsgemäß im Frühjahr. Das war vor 3 Jahren, es hätte aber auch der Herbst sein kö
nnen. Den Boden, den sie verdient hätte, einen nährstoffreichen und durchlässigen, bekommt sie nicht. Stattdessen lockere ich hin und wieder die Sanderde, gebe ein wenig Pflanzendünger hinzu und hoffe, dass sie wie versprochen nun endlich ihre Einpflanzzeit von 2-3 Jahren hinter sich hat. Erst dann soll sie richtig eingewurzelt sein. Was es alles für Gartengeschöpfe gibt. Die einen halten nur 1 Jahr durch, die anderen starten erst nach 3 Jahren.
Ein gehöriger Schreck aber durchfuhr mich im Pillnitzer Schloßgarten bei Dresden: Das ausgewachsene Beispiel eines Hamamelis Strauches wuchs in Nachbarschaft der legendären Pillnitzer Kamelie. Es war ein seeeehr ausladender Strauch. 5 Meter im Durchmesser kamen da schon zusammen.
Heilwirkung
Und warum schwimmen die Zweige nun im Babybad? Warum gab es vor Jahrzehnten diese Werbung?
Schon die Indianer Nordamerikas nutzten die zusammenziehende – also adstringierende – Wirkung der Rinde für innere und äußere Anwendungen bei Entzündungen, Fieber und Durchfall. Vor allem Gerbstoffe und ein bißchen ätherisches Öl wirken in der Rinde. Auch die Blätter können mit ihren Gerbstoffen genutzt werden. Die Verarbeitung kommt den Salben zugute.
Äußerlich wird Hamamelis für Hautcremes verwendet, die den Juckreiz stillen sollen. Ihre entzündungshemmende Eigenschaft kommt Hämorrhoiden-Geplagten zugute. Die Gerbstoffe wirken auch bei Schnittwunden.
Als Kosmetikum gibt es ein feines erfrischendes Destillat, ein Wasser: Aqua hamamelidis, das Hamameliswasser. Es wird bei Hautreizungen, auch Sonnenbrand, genommen, oder auch bei Entzündungen der empfindlichen Haut um die Augen herum.
Neben Salbei kann man auch mit Hamamelis gurgeln, wenn sich der Rachenraum entzündet hat. Die Rezepte habe ich gespeichert, probiert habe ich noch keine Zubereitung, da ich den Strauch noch unbehelligt wachsen lassen wollte.